Sonntag, 21. Februar 2016

Geisterstunde [Teil 19] Kapitel 18


Hallo ihr Lieben!
Was für ekeliges Wetter da draußen! Da macht man es sich doch lieber daheim gemütlich mit einem guten Buch und einer Tasse Tee. Oder man kettet sich, wie ich, an den Schreibtisch, um endlich die Outline der nächsten Geschichte fertig zu bekommen. 
Vielleicht habt ihr ja Lust, einen Teil eurer Lesezeit in dieses neue Kapitel von GEISTERSTUNDE zu investieren. Ich freue mich doch immer über eure Zugriffe :)


Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht Amalia Altenberg mit ihrer Mutter in deren Geburtsort Würzburg. Im Haus ihrer Großmutter scheint es lange gehütete Geheimnisse zu geben. Flüsternde Stimmen halten Am nachts wach und verfolgen sie sogar in ihren Träumen. Als sie bei einer Übernachtungsparty mit ihren neuen Freundinnen die verschlossene Tür im Hausgang öffnet, stößt sie auf eine völlig andere Welt. Bei einer harmlosen Partie mit dem Hexenbrett rufen die vier Freundinnen versehentlich einen rachsüchtigen Geist, der offenbar noch eine Rechnung mit der Familie Altenberg zu begleichen hat. Kann Amalia mit ihrem begrenzten Wissen über Magie den Geist vertreiben? Und welche Geheimnisse hütet ihre Großmutter noch?






Für einen kurzen Moment schienen Amalias Wünsche tatsächlich in Erfüllung zu gehen. Sie fühlte sich tot. Zumindest hatte sie keine Schmerzen und die lästigen Fragen, die die letzten Tage aufgeworfen hatten, waren auch verschwunden. Eine tiefe innere Ruhe füllte sie aus. Sie war bereit für den nächsten Schritt, wo auch immer er sie hinbringen mochte.
Doch offenbar hing ihr Körper mehr am Leben, als ihr Geist es tat. Die menschliche Hülle hielt sie verzweifelt gefangen und Am konnte, egal was sie auch versuchte, nicht daraus entkommen. Sah so der Tod aus? Gefangen im eigenen Körper für den Rest aller Ewigkeiten?
Nein, ganz bestimmt nicht! Auch wenn der Tod ein uraltes Mysterium war, glaubte Amalia nicht, dies sei ihr Ende. Sie war vielmehr davon überzeugt in einem Zwischenstadium zu hängen. Halb tot und doch am Leben. Das musste es sein, aber wie lange würde es dauern, ehe sie ihren Frieden finden konnte?

Vorbei war es mit der inneren Ruhe, die Fragen kehrten wie lästige Fliegen zu ihr zurück und schwirrten durch ihren Kopf. Genervt kämpfte sie dagegen an, versuchte die Gedanken zu vertreiben. Aber hatte es überhaupt einen Sinn? Konnten ihr die Fragen nicht einfach egal sein, bis sie endlich hinüber trat in eine völlig andere Welt?
Amalia beschloss die lästigen Überbleibsel ihres endenden Lebens zu ignorieren und stattdessen zu atmen. So hatte es ihr ihr Vater beigebracht. In langweiligen Situationen einfach nur zu atmen, steigerte seiner Meinung nach das Wohlbefinden. Also atmete Amalia ein, aus, ein, aus. Ein. Aus. Ein. Aus.
Ihr Geist driftete davon und fand sich plötzlich in einer düsteren Gasse wieder. Sie sah Mia und Elena, wie sie rannten. Die beiden schrien laut, stürzten und starrten mit vor Schreck geweiteten Augen in ein Gesicht aus weißem Nebel. Er waberte und wirbelte durcheinander und plötzlich waren es zwei Gesichter, die über den Köpfen der Mädchen schwebten.
Bianca und der mysteriöse Geist. Sie lachten. Sie erschreckten. Sie töteten.
Amalia konnte nicht fassen, was sie sah. So kurz vor ihrem Tod konnte sie doch keine Schreckensvisionen haben. Was war das nur für eine Welt, die auf sie wartete?
Biancas Gesicht kam näher auf Am zu. Langsam wich diese vor dem Geistermädchen zurück und prallte schon nach wenigen Schritten gegen eine feuchte Hauswand. In Zeitlupe steckte ihre Freundin die Nebelhand nach ihr aus und strich ihr zärtlich über das durchnässte Haar. Es regnete. Doch es war kein Wasser, das auf die Erde fiel. Es war Blut. Dunkelrot und warm.
Ams Blick fiel auf die beiden Mädchen. Ihre Körper lagen verdreht und blutverschmiert auf den Pflastersteinen mitten auf der Straße. Amalia schrie auf. Hatte sie nicht geglaubt, mit ihrem Tod wäre alles besser?
Bianca lachte. Donner grollte über ihren Köpfen und Donner war ihre Stimme. Am konnte nicht verstehen, was die beiden Geistererscheinungen sagten. Es schien jedenfalls nichts Gutes zu sein.
Plötzlich war der Geistermann bei ihr, drückte seine kalte Nebelhand an Ams Kehle. Seine Fingernägel gruben sich in ihre Haut. Der Schmerz den sie in diesem Moment verspürte, war ungeheuerlich. Es war nicht nur die Gewalt des Geistes. Viel mehr bereitete ihr der psychische Schmerz Probleme. Sie war daran Schuld, dass Leute wegen ihr starben. Sie hätte die Mädchen nie zu sich einladen dürfen oder sich überreden lassen, die Kellertür aufzubrechen. Sie war daran Schuld. Es war ihre Schuld. Ihre Schuld!

Schreiend erwachte Amalia in ihrem Bett. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen. Oder ging sie gerade erst auf? Fest stand, dass sie noch lebte. Alles war nur ein Traum gewesen.
Noch immer mitgenommen von der grausamen Bilder, blickte sie sich in ihrem Zimmer um. Nichts hatte sich verändert. Auf dem Nachttisch lag noch immer Eleonoras Zettel. Die Tasse war ausgetrunken. War Am wirklich spazieren gewesen? Wenn ja, dann müssten die Wunden, die die Raben hinterlassen hatten, noch zu sehen sein.
Vorsichtig hob sie ihren Arm. Ihr Herz raste vor Angst. Sie wollte nicht, dass der Angriff echt gewesen war. Doch als sie den Ärmel zurückschob, sah sie die vielen Kratzer und Wunden, das ganze Blut, das ihre Haut befleckte. Es war keine Einbildung gewesen. Aber wie war sie dann hierher gekommen?

In einer Ecke des Zimmers knarzte es plötzlich. Jemand erhob sich schwerfällig von ihrem alten Sessel. Zuerst dachte Am, es wäre ihre Mutter oder Eleonora, doch sie kannte den fremden Jungen nicht. Er war groß, nein, er war riesig. Es fehlte sicher nicht viel, dann würde er mit dem Kopf an der Decke anstoßen. Und er war muskulös. Ein wenig zu sehr für Ams Geschmack.
   „Aufgewacht, Schlafmütze“, lachte er und setzte sich auf die Kante ihres Bettes. Ganz vorsichtig beugte er sich zu ihr herunter und strich Am eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Verwundert und leicht panisch wich sie seiner Berührung aus. Es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass man nach einem Rabenangriff in seinem Zimmer aufwachte und ein gutaussehender Fremder einem übers Haar strich. Konnte dahinter der Geist stecken?
   „Hey, ganz ruhig. Ich werde dir nichts tun. Wäre auch zu blöd, schließlich war ich es, der dich gefunden hat. Wie geht es dir? Tun dir die Verletzungen noch sehr weh?“ Besorgnis mischten sich in die dunklen Augen des Riesen. Die Pupillen hatten einen seltsamen Rotstich.
Hin und hergerissen, was sie antworten sollte, zuckte sie lediglich mit den Schultern und wich seinem Blick aus.
   „Okay, wenn du nicht reden willst, dann übernehme eben ich diese Aufgabe. Ich bin Elias und war gerade auf der Jagd, als ich dich gehört habe. Diese Raben … Sie waren überall. Du musst wohl einem Hexenmeister ziemlich auf die Nerven gegangen sein.“ Der Junge lachte, wobei das gesamte Bett erbebte. Amalia fand diese Tatsache alles andere als lustig.
   „Das ist nicht witzig. Als ob du eine Ahnung von Hexenmeistern hättest!“ Wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte ihren angeblichen Retter an. Die plötzliche Bewegung tat weh, weswegen Am diese verdammten Raben noch mehr verfluchte.
   „Natürlich habe ich die. Du bist Lucius Altenbergs Enkelin, richtig? Die einzig lebende Altenberg-Hexe in ganz Würzburg. Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen. Meine Familie schätzt deinen Großvater sehr. Deswegen habe ich dich auch mitgenommen. Dein Zeichen hat dich verraten, meine Liebe. Das nächste Mal solltest du etwas mehr aufpassen.“ Elias hob die Brauen und schenkte ihr einen spöttischen Blick. Er schien auf eine Reaktion zu warten.
Kopfschüttelnd betrachtete Amalia den riesenhaften Jungen.
   „Woher?“ Das war das Einzige, das ihr einfiel. Das Einzige, das sie in diesem Moment beschäftigte. Was wusste dieser Kerl über sie?
   „Überraschung! Die Altenbergs sind nicht die einzige Familie mit gewissen Kräften. Ohne meine exzellente Schnauze hätte ich dich sicher nicht gefunden. Ich hab dich erschnüffelt, während ich nach ein paar Rehen gesucht habe.“ Lächelnd tippte er sich mit seiner gewaltigen Hand auf die Nase.
Am sog scharf die Luft ein, als sie begriff, was er damit meinte. Zur Sicherheit fragte sie jedoch nochmals nach.
   „Warte, du hast mich erschnüffelt, während du auf der Jagd warst? Was, was zur Hölle?“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf und konnte all das gar nicht fassen. Die Existenz von Hexen allein war schon merkwürdig. Aber das? Das übertraf all ihre Vorstellungen über die Welt, in die sie zufällig hineingeraten war. Elias seufzte leise und erhob sich.
   „Komm schon, Am. Ich dachte immer, ihr Hexen wärt so schlau. Wenn ich dir sage, dass ich manchmal ein Fell habe und Katzen jage, kommst du dann auf die Lösung?“ Erwartungsvoll blickte er sie an, stützte sich dabei lässig an einem der Bettpfeiler ab. Am konnte einfach nicht aufhören den Kopf zu schütteln. Sie gab keine Antwort. Da beugte sich Elias zu ihr herunter. In seinen Augen blitzte es verschwörerisch.
   „Kleiner Tipp: Man nennt es Werwolf, Schätzchen“, raunte er ihr hinter hervor gehaltener Hand zu. Für einen kurzen Moment berührte seine Hand, einer Pranke gleich, ihr Ohr und das Bild eines starken Wolfs huschte durch ihren Verstand.
   „Ich weiß. Was ist mit meiner Mutter? Weiß sie, dass ich hier bin? Bitte sag mir, du hast ihr nichts von den Verletzungen erzählt!“ Flehend suchte sie Blickkontakt. Sie wollte nicht, dass Marcella sich noch mehr Sorgen machte. Allein die magische Vorgeschichte ihrer Familie machte ihr genug zu schaffen. Da brauchte sie nicht zu wissen, dass ein rachsüchtiger Geist ihrer Tochter Raben auf den Hals gehetzt hat.
   „Nein, aber deiner Großmutter. Sie hat mir die Kräuter besorgt, die ich dir gegeben habe. Es ist ein altes Familienrezept, das Wunden schneller heilen lässt und einem Kraft spendet. In deinem Fall ganz hilfreich, wenn man kaum Magie zur Verfügung hat.“ Mit einem Kopfnicken deutete er auf ihren linken Arm. Das Mal war noch immer sehr schwach.
   „Gut. Bleibt also nur der Geist. Es wäre schön, wenn du jetzt gehen würdest. Ich muss noch einige Nachforschungen anstellen.“ Umständlich wegen all der Decken, die man über sie gelegt hatte, erhob sich Am von ihrem Bett und taumelte in Richtung Tür. Ihr ganzer Körper war ein einziger Schmerz, doch konnte sie in diesem Moment nicht drauf achten.
   „Oh, wow, was für eine tolle Verabschiedung, Fräulein Altenberg. Es ist ja nicht so, dass ich dir gerade das Leben gerettet habe.“ Elias stieß sich vom Bettpfeiler ab. Durch seine offenbar gewaltige Kraft, knarzte das Holz laut.
Verlegen durch den pikierten Unterton in seiner Stimme, trippelte Amalia auf der Stelle.
   „Danke dafür. Aber ich muss jetzt wirklich was tun, sonst liegt bald die Nächste im Krankenhaus.“ Ihre Worte waren bitter und voller Gram. Sie wollte nicht für all das verantwortlich sein.
Am hatte bereits die Klinke in der Hand, als ihr Retter plötzlich hinter ihr stand und sie vorsichtig an der Schulter berührte.
   „Du kannst es schaffen, Amalia. Du musst auf die Kräfte der Altenbergs vertrauen, okay“, sagte er sanft und strich ihr über das zerzauste Haar. Unfähig zu antworten nickte sie bloß.
Sekunden später war die Hand und auch Elias verschwunden. Vermutlich war er aus dem Fenster gesprungen. Am hätte ihm nachgesehen, doch hatte sie momentan keine Zeit für solcherlei Aktivitäten. Außerdem beeindruckte sie das nicht im Mindesten. Sie war schließlich keine dieser Mädchen, die sich in die dunklen, gefährlichen Typen verguckte. Und Elias schien alles andere als dunkel und gefährlich zu sein. Mysteriös war er dennoch.

Aber nein, Am konnte jetzt nicht ihre Zeit verschwenden und sich über den fremden Jungen aufregen. Und trotzdem spukte er in ihren Gedanken herum.


Soo, da wären wir schon am Ende des heutigen Kapitels. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Wie immer könnt ihr die Geschichte auch auf folgenden Seiten lesen...



Bis zum nächsten Mal!
Eure Kate


  




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