Sonntag, 27. Dezember 2015

Geisterstunde [Teil 11] Kapitel 10


Hallo ihr Lieben!
Habt ihr die Feiertage gut überstanden und seid ihr reich beschenkt worden? Es war so schön, mal wieder meine ganze Familie zu sehen, auch wenn es echt anstrengen werden kann mit denen :)
Ich geh jetzt auf den Spuren der Altenbergs in den Unterdürrbacher Wald und wünsche euch viel Vergnügen mit dem nächsten Kapitel von GEISTERSTUNDE. Bis im neuen Jahr dann, oder auch etwas früher, wenn ihr mögt.
Dieses Kapitel findet ihr auch auf...





Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht Amalia Altenberg mit ihrer Mutter in deren Geburtsort Würzburg. Im Haus ihrer Großmutter scheint es lange gehütete Geheimnisse zu geben. Flüsternde Stimmen halten Am nachts wach und verfolgen sie sogar in ihren Träumen. Als sie bei einer Übernachtungsparty mit ihren neuen Freundinnen die verschlossene Tür im Hausgang öffnet, stößt sie auf eine völlig andere Welt. Bei einer harmlosen Partie mit dem Hexenbrett rufen die vier Freundinnen versehentlich einen rachsüchtigen Geist, der offenbar noch eine Rechnung mit der Familie Altenberg zu begleichen hat. Kann Amalia mit ihrem begrenzten Wissen über Magie den Geist vertreiben? Und welche Geheimnisse hütet ihre Großmutter noch?







Der Unterricht schien wie ein Hochgeschwindigkeitszug an Amalia vorbeizuziehen. Sie konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren, was ihre Lehrer erzählten. Ihren drei Freundinnen schien es wohl ähnlich zu gehen. Sie alle wirkten abwesend, blickten sich ständig um. Sie hatten Angst und Am konnte die Mädchen nicht beruhigen. Im Gegenteil. Schließlich hatte sie eine weitere Feder gefunden. Keine Taube hatte schwarze Federn, erst recht nicht, wenn sie weiß war. Und wieso sollte ausgerechnet das Symbol des Friedens und der Unschuld gegen die Glasscheibe in der Eingangstür fliegen? Es war Buntglas, eigentlich eine Warnung für Vögel.
Es gab nur einen logischen Schluss. Irgendjemand musste ihr dieses Tier vor die Tür gelegt haben und die Feder mit dazu. Ganz sicher war es die gleiche Person, die auch die Feder unter die Glasscheibe des Hexenbretts gelegt hatte. Jemand versuchte Am Angst zu machen und war dabei ziemlich erfolgreich. Nun legte das junge Mädchen all ihre Hoffnungen in das Wissen der Großmutter. Wenn etwas mit der Familie Altenberg nicht stimmen sollte, war diese sicher die Einzige, die ihrer Enkelin würde helfen können.

Als es klingelte, konnte Am gar nicht glauben, dass die Schule schon vorbei sein sollte. Auf merkwürdige Art und Weise musste es ihr Gehirn geschafft haben, ihr Zeitgefühl zu manipulieren. Die frische Luft, die sie draußen vor dem Schulgebäude einatmete, gab ihr neuen Mut.
Bianca, Mia und Elena standen allesamt auf dem schmalen Platz vor dem Eingang verteilt. Jede für sich starrte in der Gegend umher, als würden sie in nächster Sekunde einen Angriff aus dem Hinterhalt erwarten. Sie alle blickten Am an, als diese auf die Straße zulief. Keiner sagte ein Wort, doch sprachen ihre Blicke Bände. Sie schienen so panisch zu sein, dass es Amalia eiskalt den Rücken hinab lief. Aufmunternd nickte sie jeder einzelnen von ihnen zu und versuchte so zu wirken, als wäre nichts geschehen. Als würden ihr die Geschehnisse des vergangenen Wochenendes nichts mehr ausmachen.
Zu Ams großer Überraschung wartete Eleonora bereits auf sie. In ihrem Auto stapelten sich die Koffer, die sie auf ihre Reise nach Italien mitgenommen hatte.
    „Amalia, wie schön dich zu sehen!“ Zwar klang sie nicht halb so begeistert, wie man es von solchen Worten eigentlich erwarten würde, doch drückte sie ihre Enkelin fest an sich.
Ohne zu wissen, was geschah, rannen dieser die Tränen in Strömen die Wangen hinab. Die Antworten auf all ihre Fragen waren zum Greifen nahe. Es würde sich aufklären, ob Am sich die Geistergeschichte bloß eingebildet hatte oder ob etwas Größeres hinter der ganzen Sache stand.
Sie brachte kein Wort heraus. Nicht auf der Straße vor ihrer Schule und auch nicht während der Autofahrt. Selbst vor dem Haus konnte sie ihre Großmutter nicht fragen, was sie schon die ganze Zeit beschäftigte.
Während Eleonora damit beschäftigt war, ihr Gepäck in den Flur zu schaffen, stand Am noch immer vor dem Haus und starrte auf den Fußabstreifer. Nichts zeugte mehr von der toten Taube. Nichts wies auf irgendeine Art von paranormalen Aktivitäten hin. War sie vielleicht doch verrückt?
   „Also gut, Amalia... Wir müssen jetzt in den Keller. Hast du verstanden? Na los doch!“ Es dauerte eine Weile, bis ihre Großmutter Am in Richtung der angelehnten Tür geschoben hatte.
Um keinen Preis wollte diese wieder dort hinunter. Oder etwa doch? Es war ihr, als würde sie aus zwei Teilen bestehen. Der eine fürchtete sich vor allem, was dort unten in den unterirdischen Räumen auf sie lauern konnte. Der andere wollte nun endlich wissen, welchen Zweck der Keller erfüllte und was das Ganze mit Magie zu tun hatte.

Kaum hatte Amalia die Treppe betreten, verschwand der ängstliche Teil und machte damit dem anderen Platz. Dieser war so erpicht darauf, endlich die Wahrheit zu erfahren, dass ihr Herz vor Aufregung raste.
   „Liebling, ich hätte es dir oder deiner Mutter schon viel früher sagen müssen. Ich hätte gar nicht versuchen dürfen, die Vergangenheit wegzuschließen. Am Ende habe ich es nur schlimmer gemacht…“ Nun klang Eleonora panisch. Ihre Stimme war viel zu hoch und schrill. So hatte Am sie noch nicht erlebt.
Ihre Worte drangen nur schwer zu ihr hindurch. Viel zu aufgeregt war sie in diesem Moment. Fast fühlte sie sich wie bei einer Fahrt mit der Achterbahn. Es drehte sich alles um sie herum, sauste an ihr vorbei. Ein herrliches Gefühl rann durch ihre Adern und Am war davon überzeugt, dass es das pure Leben war.
Den Geist vergaß sie jedoch nicht. Die Angst war immer noch gegenwärtig, wurde jedoch von diesen unglaublichen Glücksgefühlen betäubt. Am stand breit grinsend mitten in dem unterirdischen Arbeitszimmer und sah ihrer Großmutter dabei zu, wie diese in den Regalen wühlte. Sie schien irgendetwas zu suchen. Ein Buch vielleicht? Am wollte ihr sagen, dass das nichts bringen würde. Sie selbst konnte sie ja nicht lesen. Warum also sollte Eleonora dazu in der Lage sein?

Sekunden verstrichen, wurden zu Minuten und zu einer halben Ewigkeit. Eleonora musste inzwischen die ganze Schrankwand durchsucht haben, bis sie endlich das gewünschte Objekt in den Händen hielt. Es handelte sich tatsächlich um ein Buch. Es war nicht größer als das, das Am in dem Geheimfach des Schreibtischs gefunden hatte. Aber was noch viel erstaunlicher war, es enthielt Buchstaben. Nie hätte sie gedacht, dass sie in der beträchtlichen Sammlung von alten Wälzern je ein Exemplar finden würde, das sie würde lesen können.
   „Amalia, Liebes, das Buch hat dein Großvater geschrieben. Es enthält einige wichtige Dinge, die du vielleicht wissen solltest. Ich könnte es dir auch erzählen, aber es wäre nicht richtig. Sei so gut und lese es. Vielleicht beantwortet es ja einige deiner Fragen.“ Bedächtig drückte die Großmutter das Buch in die Hände ihrer Enkelin. Diese verstand noch immer nicht so recht, was soeben vor sich ging. Seitdem sie den Keller betreten hatte, schien etwas von Amalia Besitz ergriffen zu haben. Es war nicht bösartig und sicher wollte es ihr nicht schaden. Es war mehr ein Verlangen, das sie stillen musste. Was diese Begierde letztendlich war, warf nur weitere Fragen auf.
Als wäre sie ein kleines Kind, nahm Eleonora sie an die Hand und führte sie in ihr Zimmer. Als Am auf dem Bett saß und sich verwirrt umblickte, schlug ihre Großmutter das Buch auf und legte es ihrer Enkelin auf den Schoß. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, schenkte sie Am noch ein vorsichtiges Lächeln. Danach war sie hinter dunklem Holz verschwunden.

Amalia fragte sich, wie sie nur in ihr Zimmer gekommen war. Die vergangenen Minuten seitdem sie das Haus betreten hatte, waren völlig verschwommen. Trotzdem war sie sich sicher, dass sie dieses Buch besser lesen sollte. Eleonora schien mehr zu wissen, als sie ihr oder Marcella gesagt hatte. Vielleicht würde Am ja in dem Schriftstück fündig werden.
Tatsächlich schien es aus der Feder ihres Großvaters zu stammen. Die Schrift war noch schlampiger als in dem Buch, das sie unten im verstaubten Saal gefunden hatte. Es war diesmal kein Brief an die geliebten Nachkommen, keine Liste mit allerlei fremder Namen.
Es schien vielmehr eine Geschichte zu sein, die von der Familie Altenberg des frühen achtzehnten Jahrhunderts handelte. Fasziniert begann Amalia zu lesen und erfuhr schon bald von ihrem Vorfahr Arminius Altenberg, einem gefürchteten Hexer.
Bei diesem Wort blickte sie zunächst verwundert auf. Es irritierte sie und ließ ihr einmal mehr die Frage durch den Kopf gehen, ob sie nicht doch verrückt war. Trotzdem würde diese Art von Wahnsinn auf die Sache mit dem Geist, den Federn, der toten Taube oder der blutigen Botschaft passen.
Arminius kümmerte sich zunächst nur um seine eigenen Belange, strebte nach Macht und Geld. Aus den Worten wurde deutlich, dass dieser Mann, mit dem sie angeblich verwandt sein sollte, gerne über einen ganzen Berg von Leichen spazierte. Bis ihm dies eines Tages zu Verhängnis wurde. Jemand tötete aus Rache seine Frau, die einzige Person, die er je geliebt hatte. Von diesem Tag an änderte er sein Verhalten und war darin bestrebt Gerechtigkeit auszuüben. In der Stadt unter der Stadt, einem verworrenen System aus Tunneln und Gewölben direkt unter Würzburgs Straßen und Häusern, sorgte er von nun an für Ordnung.
Im sogenannten Untergrund war es nie nach dem vorgeschriebenen Gesetzt zugegangen. Vor dem Tod seiner Frau hatte Arminius zu den Missetätern gehört. Danach nie mehr wieder. Und auch seine Kinder und deren Nachkommen, hatten sich dem Kampf gegen die Ungerechtigkeit unter den magischen Wesen des Untergrunds verschrieben.

Nun kannte Amalia die Geschichte ihrer Familie und fand sie keineswegs verrückt. Schon immer hatte sie geglaubt, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gab, als das menschliche Auge wahrnehmen konnte. Magische Wesen? Warum nicht? Dass sie allerdings ein Teil dieser Welt sein sollte, erschloss sich dem Mädchen nicht. Wie sollte sie bloß ohne all das Wissen ihrer Vorfahren deren Aufgabe weiterführen? Konnte sie das überhaupt, schließlich verfügte sie nicht über übernatürliche Fähigkeiten?
Amalia blätterte um und fand zunächst einige leere Seiten vor. Nur ganz langsam schien sich darauf etwas zu bilden. Wie in Zeitlupe erschienen plötzlich einzelne Buchstaben, Linien und Punkte. Sie wurden immer zahlreicher, bis sie eine feste Form annahmen und einen Text ergaben. Bevor sie dazu kam, auch nur ein einziges Wort zu lesen, klopfte es an ihrer Tür.
Zwei Sekunden später stand Eleonora neben ihrer Enkeltochter und blickte sie aus wissenden Augen an.
   „Verstehst du jetzt? Genau das war der Grund, weshalb ich wollte, dass die Tür geschlossen bleibt. Ich wollte euch all das Unglück ersparen, das Lucius und mir widerfahren ist.“ Mit einem lauten Seufzen ließ sich ihre Großmutter neben Amalia aufs Bett sinken und fuhr nachdenklich über das Buch in deren Händen.
   „Es tut mir so leid. Hätte ich gewusst, was da unten ist, dann hätte ich die Tür nie aufgemacht. Es war doch alles bloß ein Spaß und jetzt verfolgt uns irgendein wütender Geist. Ich war so dumm!“ Am ließ das Buch sinken und schlug sich die Hände vors Gesicht. Ihre Taten waren ihr in diesem Moment so unglaublich peinlich. Am liebsten hätte sie alles wieder ungeschehen gemacht.
   „Welcher Geist, Amalia? Was hast du da unten getrieben? Waren deine Freundinnen etwa auch dabei?“ Panisch packte Eleonora sie an den Schultern und rüttelte so lange an dem völlig verzweifelten Mädchen, bis diese ihr antwortete.
   „Ja. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Mia hat ein Hexenbrett gefunden und vorgeschlagen, aus Spaß Geister zu beschwören. Erst hat es nicht geklappt, aber dann hat sich die Scheibe plötzlich bewegt und dann ist dann zersplittert und da war so eine Stimme…“ Völlig fertig warf sich Amalia in die Arme ihrer Großmutter und begann laut zu schluchzen. Verwirrt und entsetzt zugleich, konnte diese nichts anderes tun, als ihrer Enkelin sanft über den Rücken zu streichen.
   „Und dann war da am nächsten Tag so eine Botschaft im Bad. Es sah aus wie Blut und am Spiegel stand: Du bist als Erste dran. Heute früh lag eine tote Taube vor der Tür und überall finde ich diese schwarzen Federn. Das ist doch nicht mehr normal! Wenn du irgendetwas weißt, Eleonora, dann hilf mir, bitte!“ Flehend suchte sie den Blick ihrer Großmutter. Doch diese wich ihr aus, starrte stattdessen verbissen auf den Ledereinband des Buchs.
   „Amalia, hör mir gut zu. Alles wird gut, hörst du? Ich verstehe zwar nicht viel von den Geschäften der Altenbergs, aber das sieht nicht gut aus. Wir müssen sofort runter in den Keller. Vielleicht hat dein Großvater ja ein Buch über Geister, das uns weiterhelfen kann.“ Obwohl man es ihr wegen ihres Alters nicht zugemutet hätte, sprang Eleonora leichtfüßig vom Bett und zerrte Am hinter sich her. Auf halbem Weg hinunter in den Flur fiel dieser jedoch etwas ein.
   „Warte! Die Bücher im Keller kann ich nicht lesen. Da stehen keine Buchstaben drin. Was bringen uns leere Seiten?“ Verwundert hielt ihre Großmutter inne und betrachtete Amalia einige Sekunden. Dann schüttelte sie den Kopf und ließ sich auf die Treppenstufen nieder.
   „Leere Seiten sagst du? Na toll, vielen Dank auch, Lucius! Wie war das noch gleich? Weihe? War da nicht was?“ Nachdenklich kratzte Eleonora am Kopf und war zu tief in Überlegungen versunken, als dass sie bemerkt hätte, wie Am aufgesprungen war, um zurück zu ihrem Zimmer zu laufen. Dort schnappte sie sich das Buch über die Altenbergs und blätterte bis zu der Seite, auf der sich vor einigen Minuten die Buchstaben gebildet hatten.
Dieser Text schien ihre Rettung zu sein. Aufgeregt wie ein kleines Kind stürmte Am zurück zur Treppe und legte ihrer Großmutter das Buch auf den Schoß.
   „Siehst du das? Da steht etwas von einer Weihe... Vielleicht kann ich ja danach eines der Bücher lesen. Noch habe ich mein neunzehntes Lebensjahr nicht erreicht, also sind meine magischen Kräfte nicht zurückgebildet.“ Hektisch tippe sie auf einen einzelnen Satz, der sich für jemanden ohne Vorwissen über die Familie recht verrückt anhören würde. Am konnte es selbst kaum glauben, was sie gerade gesagt hatte. Es klang wie in diesen Jugendfilmen. Völlig absurd! Aber trotzdem musste es doch der Wahrheit entsprechen, schließlich hatte ihre Großmutter in gewisser Weise bestätigt, dass Am und ihre Freundinnen von einem Geist heimgesucht wurden.
   „Aber… Das ist genau das, was ich nie gewollt habe. Dass einer von euch, genauso wird wie er. Was wird mit dir passieren, Am? Wenn du erstmal diese Kräfte hast, musst du sie auch einsetzen. Es gibt viele Leute da draußen, die etwas gegen unsere Familie haben. Überlege es dir nochmal ganz genau, okay?“ Eleonora klang panisch, hatte sogar Tränen in den Augen.


Am nickte, doch war ihre Entscheidung schon längst gefallen.



Welche das wohl sein wird? Der werdet ihr bis zum neuen Jahr warten müssen, ihr Lieben. Ein wenig früher als sonntags auf dem Blog, könnt ihr die Kapitel auch hier lesen...





Einen guten Rutsch an alle, die erst nach Silvester wieder vorbeischauen! Kommt gut rüber und übertreibt es nicht mit dem Alkohol ;)
Eure Kate




   



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