Sonntag, 22. November 2015

Geisterstunde [Teil 6] Kapitel 5


Hallo ihr Lieben!
Na, wie war eure restliche Woche so? Habt ihr alles gut überstanden und euch am Wochenende entspannt? Ich hab natürlich wieder ein bisschen geschuftet, aber wir sind ja hier, um es uns gut gehen zu lassen, und das nächste Kapitel aus GEISTERSTUNDE zu lesen. Viel Spaß und danke, fürs Vorbeikommen!
Übrigens auch zu finden auf...





Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht Amalia Altenberg mit ihrer Mutter in deren Geburtsort Würzburg. Im Haus ihrer Großmutter scheint es lange gehütete Geheimnisse zu geben. Flüsternde Stimmen halten Am nachts wach und verfolgen sie sogar in ihren Träumen. Als sie bei einer Übernachtungsparty mit ihren neuen Freundinnen die verschlossene Tür im Hausgang öffnet, stößt sie auf eine völlig andere Welt. Bei einer harmlosen Partie mit dem Hexenbrett rufen die vier Freundinnen versehentlich einen rachsüchtigen Geist, der offenbar noch eine Rechnung mit der Familie Altenberg zu begleichen hat. Kann Amalia mit ihrem begrenzten Wissen über Magie den Geist vertreiben? Und welche Geheimnisse hütet ihre Großmutter noch?






   „Hey, kommt doch rein, Mädels. Elena, hat euer Navi funktioniert?“ Eigentlich war es eine ernsthafte Frage, doch die drei begannen plötzlich lauthals zu lachen. Ein wenig verwirrt musterte Amalia die Mädchen, bis Mia endlich mit einer Antwort herausrückte.
   „Wir sind drei oder viermal durch Unterdürrbach gefahren, weil wir dachten, das Navi würde uns verarschen. Warum hast du nicht gesagt, dass du mitten im Nirgendwo lebst, Am?“ Sie lachten noch immer und nun verstand Am auch wieso. Fast hatte sie gedacht, es läge an ihr. Nur für den Bruchteil einer Sekunde dachte Am, sie würden sie auslachen.
   „Tja, ich hab geglaubt, ihr würdet mir sowieso nicht glauben. Kommt rein, dann können wir essen.“ Amalia bedeutete ihren Freundinnen ins Haus zu gehen. Sie folgte ihnen als Letzte, mit dem seltsamen Gefühl, irgendwer oder irgendetwas würde sie beobachten. Und tatsächlich saß oben in den Ästen einer alten Eiche eine Krähe, die sie direkt anstarrte. Warum auch immer, versuchte sie sich zu beruhigen, ehe sie Bianca ihren Namen rufen hörte. Genervt von ihrer eigenen Angst drehte sie sich um und schlug die Tür hinter sich zu.
   „Alles okay bei dir, Am?“ Bianca lehnte an der Tür zur Küche und schien tatsächlich etwas beunruhigt zu sein. Schulterzuckend ging Amalia an ihr vorbei hinein in die Küche zu den anderen Mädchen.
   „Bloß so eine blöde Krähe, nichts weiter“, flüsterte sie im Vorbeigehen, mehr zu sich selbst als zu Bianca, doch die Blondiene schien zu verstehen.
   „Kein Wunder, wenn man so abgeschnitten von der Welt in einem dunklen Wald wohnt, Am.“ Sie versuchte zu lachen, doch irgendetwas trübte ihren Blick. Amalia kam jedoch nicht dazu, zu fragen, was Bianca bedrückte. Mia tauchte an der Tür auf, ein Stück Paprika in der Hand.
   „Also, willst du uns jetzt erklären, was du unter Pizzaparty verstehst?“ Davon hatten die Mädchen noch nie gehört und Am hatte sich einen Spaß daraus gemacht, es ihnen nicht zu erklären. Den ganzen Tag über hatten die Drei versucht es aus ihr herauszukitzeln, doch Amalia war nicht schwach geworden.
   „Das hat mein Dad immer mit seinen Kumpels gemacht, als ich klein war. Es gab ganz viele Zutaten und für jeden eine unbelegte Pizza. Ihr könnt euch also aussuchen, was ihr wollt.“ Mit diesen Worten deutete sie auf die vielen Teller und Schüsseln mit Essen und auf die vier runden Pizzableche, die neben dem Ofen bereitstanden.
   „Coole Idee, Am. Dann ist jeder zufrieden, nicht?“ Elena tätschelte kurz ihre Schulter, ehe sie sich die Zutaten genauer ansah. Die anderen beiden taten es ihr gleich, während Amalia sich bereits ihr Blech mit dem ausgebreiteten Teig schnappte und Tomatensauce darauf verteilte.
   „Wusstet ihr, dass Pizza früher ein Essen für arme Leute war“, fragte Elena plötzlich in die andächtige Stille hinein, als die Mädchen sich ihr Essen bereiteten.
   „Ja, hab davon gehört. Aber lasst uns heute ein Mal nicht über Geschichte sprechen, okay? Der Test nächste Woche macht mich jetzt schon fertig…“ Seufzend warf Bianca einen Pilz auf ihre Pizza und sah dabei ziemlich verzweifelt aus.
   „Wir schreiben einen Test? Woher zur Hölle weißt du das, Bianca“, erschrocken drehte sich Mia zu der Blondine um. Diese ließ den Schinken, den sie gerade auf ihren Teig legen wollte, fallen und zuckte mit den Schultern.
   „Keine Ahnung. Intuition, vielleicht. Lasst uns einfach nicht mehr darüber sprechen. Heute ist Spaß angesagt, nicht Schule.“ An ihrer Art, wie sie sprach und den Belag auf der Pizza verteilte, konnte man sehen, dass sie lieber nicht mehr über dieses Thema sprechen wollte. Also ließen es die anderen sein und sprachen Dinge an, die praktisch schon Standard bei einer solchen Situation waren. Jungs, zum Beispiel. Nachdem Mia erzählt hatte, wie sie ihren Bruder mit einer älteren Schülerin erwischt hatte, schob Amalia die Pizzen in den Ofen und stellte den kleinen Küchenwecker.
   „Okay. Was haltet ihr davon, wenn wir eure Sachen in mein Zimmer bringen und ihr eure Betten bezieht, bis die Pizza fertig ist?“ Die drei nickten und folgten ihr mit neugierigen Blicken hinauf. Auf ihrem Weg erklärte Am ihnen, zu welchen Räumen die jeweiligen Türen führten. Als sie schließlich in ihrem Zimmer standen und sich umsahen, klappte ihnen die Kinnlade weit herunter.
   „Wow, Am. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Zimmer so toll ausschauen würde… Das ganze Haus ist echt der Wahnsinn! War es schon immer in Familienbesitz?“ Staunend liefen die drei in ihrem Zimmer umher, strichen über die Schnitzereien in den Möbeln und fuhren die Blattranken auf den Tapeten nach.
   „Keine Ahnung. Ich denke schon, aber wir reden nicht so sehr über Familiendinge. Mein Großvater ist sehr früh gestorben und ich glaube meine Großmutter ist noch immer nicht darüber hinweggekommen. Wer will wo schlafen?“ Am deutete auf die Matratzen, die um ihr Bett herum lagen. Das Bettzeug hatte Eleonora schon für sie bereit gelegt, bevor sie abgereist war. Nach einigen Minuten hatten sie sich geeinigt und sich auf die jeweiligen Betten gesetzt.
   „Okay. Wer hat den Film? Wir können oben essen, wenn ihr wollt. Falls dann eine einschläft, liegt sie schon im Bett.“ Nun warf sich auch Am auf ihr Bett, das dabei leicht knarzte. Bianca kramte derweil in ihrer riesigen Tasche, ehe sie die DVD fand von der sie am Morgen gesprochen hatte.
   „Und wo sollen wir den Film schauen, Am?“ Fragend blickte die Blondine Amalia an. Ein leichtes Lächeln umspielte Ams Züge, als sie aufstand und das Tuch, das sie über den Fernseher gehängt hatte, wegzog. Der schwarze Bildschirm hat sie beim Schlafen irgendwie gestört, weswegen sie ihn einfach verhüllt hatte, wenn sie ihn gerade nicht brauchte. Erstaunt blickten die drei auf den Flachbildschirm und dann zu ihrer neuen Freundin hinüber.
   „Wahrscheinlich hatte meine Großmutter einfach ein schlechtes Gewissen, weil sie mir nie etwas zum Geburtstag geschenkt hat, oder so. Wenn ihr wollt, könnt ihr schon mal anfangen. Ich geh schnell nach der Pizza gucken. Vielleicht ist sie schon fertig.“ Winkend verabschiedete sie sich und rannte die Treppe hinab. Noch immer war ihr die ganze Übernachtungsparty-Geschichte nicht geheuer, aber möglicherweise täuschte sie sich dabei auch.
Von oben waren bereits gedämpfte Filmmelodien zu hören. Die Mädchen waren beschäftigt und Am hatte kurz Zeit, um Luft zu holen und allein zu sein. Während die Pizzen im Ofen langsam goldbraun wurden, packte Amalia die übrigen Zutaten wieder zurück in den Kühlschrank und holte vier große Teller aus einem der Schränke hervor. Zweifelnd begutachtete sie das weiße Porzellan. Sie war sich nicht ganz sicher, ob die Pizzen darauf passen würden. Größeren Teller hatte sie bisher keinen zu Gesicht bekommen, also mussten sie mit diesen hier vorlieb nehmen.

Am dachte gerade über die Freundschaft mit den drei Mädchen nach, als urplötzlich ein lautes Dröhnen hinter ihr erklang. Zuerst konnte sie das Geräusch nicht zuordnen, doch dann fiel ihr ein, dass sie den Küchenwecker gestellt hatte. Bevor sie den Ofen ausschaltete, überprüfte Am, ob die Pizzen auch tatsächlich fertig waren. Mit dicken Kochhandschuhen stellte sie eine nach deren anderen auf hölzerne Untersetzer zum Abkühlen, ehe sie die Bleche entfernte und den gebackenen Teig auf die Teller legte. Dabei hätte sie sich fast die Finger verbrannt.
   „Hey, Mädels? Kann mal eine von euch runter kommen, um mir beim Tragen zu helfen? Die Pizzen sind nämlich fertig.“ Am wartete so lange auf dem Gang, bis sie Elena auf der Treppe sah und bedeutete ihr, ihr in die Küche zu folgen. Gemeinsam schnappten sie sich die Teller, die tatsächlich zu klein waren, und das bereitliegende Besteck. Im Eingangsbereich drehte sich Ams neue Mitschülerin nochmal nach ihr um. Neugier blitzte in ihren braunen Augen auf.
   „Wo führt eigentlich die Tür in der Treppe hin? In euren Keller?“ Es war eine einfache Frage, doch Amalia war kurz davor, die Teller vor Schreck fallen zu lassen. Inständig hatte sie gehofft, niemand würde sie danach fragen. Zu groß war ihre Angst gewesen, die Stimmen könnten zurückkommen. Schulterzuckend wandte sie sich ab und stieg die Treppe hinauf. Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht zu zittern.
   „Keine Ahnung. Meine Großmutter hält es für besser, wenn sie verschlossen bleibt“, erwiderte sie nach kurzer Zeit mit brüchiger Stimme. Elena nickte verständnisvoll, aber irgendetwas in ihrem Blick verriet Am, dass sie es nicht auf sich beruhen lassen würde. Auf der Treppe zum zweiten Stock zwang sich Amalia, ruhig zu atmen und nicht mehr daran zu denken. Es war schließlich bloß eine Frage gewesen. Sicher wollten die drei Mädchen nicht wissen, was sich dahinter befand. Verschlossen war nun mal verschlossen. Außerdem hatte Amalia sowieso keine Ahnung, wo sich der Schlüssel befand, geschweige denn ob es überhaupt einen gab.

Als sie in ihr Zimmer kamen, schien Elena die ganze Sache sowieso schon wieder vergessen zu haben. Lachend verfolgten sie den Film, der gar nicht mal so schlecht war, und aßen dabei ihre Pizzen. Weder Amalia noch Elena erwähnten die Tür, doch als der Abspann über den Bildschirm lief, drehte sich das braunhaarige Mädchen zu den anderen um. Ein verschmitztes Lächeln zierte ihre roten Lippen. Noch ehe sie es aussprach, wusste Amalia, was sie sagen wollte.
Mit einem stummen Kopfschütteln und einem flehenden Blick versuchte sie Elena davon abzubringen, doch es half nichts. Wenn Am eines gelernt hatte, dann war es das Wissen um die Neugier ihrer Freundinnen. Sie würden nicht eher ruhen, bis sie hatten, was sie wollten.
   „Schon gewusst, das einsame Haus im Wald hat ein dunkles Geheimnis…“ Das verschmitzte Grinsen in Elenas Gesicht wurde noch breiter, als sie den überraschten Gesichtsausdruck der anderen zwei sah.
Gespannt rückten Mia und Bianca näher an ihre Freundin heran, während Am unbehaglich zum Kopfende ihres Betts rutschte und sich ein Kissen vor den Kopf hielt. Sie wollte weder hören, noch sehen, was Elena ihnen vorschlagen würde. Wenn Eleonora das herausfand, würde sie ihre Enkelin in Stücke hacken.
   „Die Tür unten in der Treppe ist verschlossen. Irgendwas muss dahinter sein. Habt ihr nicht auch Lust, zu erfahren, was das sein könnte?“ Seufzend schleuderte Am das Kissen in die Zimmerecke und rutschte ebenfalls näher an Elenas Matratze heran. Die Augen der anderen beiden waren groß geworden. Grenzenlose Neugier spiegelte sich darin und verlangte gestillt zu werden. Ohne ein weiteres Wort sprangen die drei auf und schlichen mit ihren Taschenlampen bewaffnet die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Zögernd folgte Amalia ihnen mit dem unguten Gefühl in der Magengrube, dass das überhaupt keine gute Idee war.

Beinahe andächtig standen die drei Freundinnen vor der Tür, als Am die letzte Stufe hinter sich gebracht hatte und vor Aufregung oder Angst fröstelte. Tausend innere Stimmen wisperten ihr zu, dass sie das schon die ganze Zeit gewollt hatte und sie sich nicht zu fürchten brauchte. Andere jedoch versuchten sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Am ignorierte alle und trat hinter die drei Freundinnen. Vielleicht schafften sie es überhaupt nicht, das Schloss zu knacken.
   „Okay, also wenn Ams Großmutter nicht will, dass sie geöffnet wird, gibt es keinen Schlüssel, richtig?“, fragte Mia halblaut die anderen. Bianca drehte sich zu Amalia, als erwarte sie von ihr eine Antwort, doch konnte sich diese einfach nicht bewegen und blieb stumm. Am Rand ihrer Wahrnehmung hörte sie wieder die Stimmen von Jenseits der Tür, wie sie ihren Namen riefen und sie zum Spielen aufforderten. Mit all ihrer Kraft stemmte sich Amalia gegen den Drang, ihnen zu lauschen und mit ihnen zu sprechen. Immer wieder musste sie sich selbst sagen, dass das alles bloß Einbildung war. Irgendwie schien es zu funktionieren, das Flüstern wurde leiser.
   „Tja, dann müssen wir eben einen anderen Weg finden. Hast du nicht mal das Tagebuch deiner Schwester mit einer Haarnadel geknackt, Mia?“ Auch Elena schien sich nicht zu trauen, laut zu sprechen. Irgendetwas an der herrschenden Atmosphäre schien ihnen Angst zu machen, oder sie zumindest zu beunruhigen. Noch bestand die Chance, dass es nicht funktionierte.
Mia nickte und kramte in der Tasche ihrer Jeans nach etwas. Der gesuchte Gegenstand war ein leicht verbogenes Stück Draht, das gewisse Ähnlichkeiten mit einer Haarnadel aufwies. Bevor sich Mia ans Knacken des Schlosses machte, atmete sie nochmal tief ein, gab Bianca ihre Taschenlampe und bedeutete ihr und Elena, die Tür zu beleuchten.

Egal wie Mia die verbogene Nadel drehte oder wendete, nichts schien zu funktionieren. Die Tür blieb verschlossen. Gerade als Am einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen wollte, klackte das Schloss plötzlich und die Tür sprang mit einem leisen Quietschen auf. Erschrocken wichen die vier Mädchen ein Stück zurück und Amalia konnte förmlich spüren, wie sie immer bleicher im Gesicht wurde.
Es verging eine ganze Weile, ehe wieder Bewegung in die kleine Gruppe kam. Mia, die von allen wohl die Mutigste war, nahm Bianca ihre Taschenlampe ab und leuchtete in das Dunkle hinter der Tür. Verstaubte Treppenstufen kamen in Sicht und verloren sich irgendwo in der Finsternis.
   „Okay... Also ein dunkles Loch hatte ich jetzt nicht erwartet. Was machen wir jetzt?“ Zitternd und unsicher war Biancas Stimme. Sie schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu sein.
   „Keine Ahnung. Wir wollten wissen, was dahinter ist, oder? Lasst uns runter gehen und nachsehen.“ Mia schien genauso ängstlich zu sein, doch versuchte sie es, zu verbergen. Mit Elena an der Hand trat sie näher an den Türrahmen heran und gemeinsam stiegen sie schließlich die ersten Stufen hinunter. Mit laut pochendem Herzen folgte Amalia ihnen, Bianca im Schlepptau. Als sie über die Schwelle trat, meinte sie ein geflüstertes „Endlich!“ zu vernehmen, achtete jedoch nicht darauf. Viel zu groß war ihr Schock als urplötzlich grelles Licht aufflackerte und ihre Gesichter fahl erscheinen ließ. Mit einem lauten Schrei des Entsetzen drehte sich Elena zu den beiden anderen um. Die Panik stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Mia dagegen versuchte die Situation gelassen zu sehen.
   „Dann sparen wir die Batterien für die Taschenlampen. Kommt schon, Ams Großmutter wird hier schon keine Leichen versteckt haben.“ Mia lachte über ihren Scherz, doch den anderen war nicht danach zumute. Amalia war sich gar nicht so sicher, ob dort unten nicht doch etwas verborgen war.
Kurz bevor sie die letzten Stufen herunter stiegen, erhaschten die Mädchen einen Blick auf das „dunkle Geheimnis“ des Hauses.
Es war eine Art Arbeitszimmer mit hohen Bücherregalen, deren Bretter sich schon unter der Last der vielen Wälzer durchbogen. Fasziniert sahen sich die vier um. Zwar war ihre Angst noch nicht verschwunden, doch schien dieser Raum viel zu harmlos für irgendwelche versteckten Leichen oder andere gruselige Dinge. Fest stand bloß, dass schon lange niemand mehr dort unten gewesen war. Es hatte sich eine dicke Staubschicht gebildet und Spinnweben zierten so manchen Gegenstand.
Irgendwie war es schon ein wenig unheimlich einen solchen Raum unter dem Haus zu haben, aber in diesem Moment waren die Vier einfach zu beschäftigt und fasziniert von all dem Plunder. Staunend schauten sie sich um. Amalia interessierte natürlich das deckenhohe Bücherregal. Vorsichtig zog sie einen der dicken Bände hervor und wischte die Staubschicht weg. Als sie das Buch aufklappte, fand sie die Seiten leer vor. Verwundert stellte sie es zurück und öffnete einige weitere Exemplare, doch auch diese waren unbeschrieben.
   „Hey, Leute! Schaut mal was ich gefunden habe! Sieht aus wie ein Hexenbrett, wenn ihr mich fragt.“ Mias aufgeregter Schrei kam von irgendwo neben der Treppe. Sie kniete vor einer niedrigen Kommode und hielt ein breites verstaubtes Brett in der Hand. Wenn man genauer hinsah, konnte man Schriftzeichen darauf ausmachen.
   „Ein was hast du gefunden?“, rief ihr Elena von dem wuchtigen Schreibtisch aus zu. Unruhig winkte Mia die Drei zu sich und wischte den Staub weg. Darunter kam ein schwarz lackiertes Brett zum Vorschein, auf dessen Oberfläche kunstvoll das Alphabet, die Zahlen von null bis neuen, sowie je ein Feld mit „Ja“ und eines mit „Nein“ eingeritzt waren. Die Schrift leuchtete so merkwürdig, als würde sie von unten bestrahlt werden.
   „Ist das nicht so ein Ding, mit dem man Geister befragen kann, Mia? Ich fasse es nicht, dass mir meine Großmutter neulich so einen Terz gemacht hat, weil ich sie nach der Tür gefragt habe.“ Wütend erhob sich Amalia und lief ein paar Schritte durch den seltsamen Raum. Bianca, Elena und Mia untersuchten währenddessen das Brett und die dazu gehörige Glasscheibe.
   „Hey, was haltet ihr davon, wenn wir das mal ausprobieren? Nur so zum Spaß…“ Fragend blickte sich die Rothaarige um, erntete jedoch kaum Zustimmung.
   „Das funktioniert doch sowieso nicht. Es gibt immer jemanden, der schiebt. Ob bewusst oder unbewusst ist egal. Selbst wenn ihr schwören würdet, die Scheibe nicht zu bewegen, würde euer Unterbewusstsein genau das Gegenteil machen.“ Es war nicht das erste Mal, dass jemand Amalia vorschlug, dieses alberne Spiel zu spielen. Bisher hatte es immer jemanden gegeben, der geschoben hatte. Außerdem glaubte sie eh nicht an die Existenz von Geistern.
Auch Elena und Bianca waren alles andere als Feuer und Flamme für diese Idee. Die junge Halbitalienerin bekreuzigte sich sogar mehrmals, als wäre sie abergläubisch. Bianca dagegen saß stumm da, starrte auf das Brett und schüttelte unermüdlich mit dem Kopf.
   „Drei zu eins überstimmt, würde ich sagen... Aber wenn Am sagt, dass es sowieso von uns ausgeht, warum probieren wir es dann nicht einfach?“ Mit einer hochgezogenen Braue musterte Mia die drei Mädchen und wartete ungeduldig mit den Fingern auf das schwarze Holz trommelnd auf eine Antwort. Es dauerte gar nicht lange, da hatte sie die Drei auch schon überredet. Vermutlich hatten sie insgeheim den Wunsch gehegt, etwas in der Art zu machen. Das glaubte zumindest Amalia. Bei dem Gedanken, einen Geist zu beschwören, drehte sich ihr der Magen um. Dennoch schlug ihr vor Aufregung ihr das Herz bis zum Hals. Ein äußerst seltsames Gefühl.
   „Okay, aber nicht hier unten… Hier ist es irgendwie unheimlich“, meinte Mia fröstelnd und erhob sich, das Brett und die Schreibe in der Hand. Als Ams Blick auf die Hände ihrer Freundin fiel, bemerkte sie, dass diese nicht rußgeschwärzt waren wie bei ihr, wenn sie den Türgriff berührt hatte. Kopfschüttelnd folgte sie den anderen hinauf in ihr Zimmer und schloss sorgfältig die Tür. Fast schon aus Gewohnheit wischte sie ihre Finger an der Hose ab, doch blieb der dunkle Staub daran haften.


Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit diesem Kellerraum, auch wenn er so harmlos wirkte. Vielleicht konnte sie morgen herausfinden, welchem Zweck er diente. Dazu müssten aber ihre Freundinnen aus dem Haus sein, sonst würden die noch auf dumme Ideen kommen.


Willkommen am Ende des Kapitels! Was haltet ihr davon und wie wird es eurer Meinung nach weitergehen? Ich freue mich riesig auf eure Kommentare. Wir sehen uns am Mittwoch oder Sonntag für das nächste Kapitel, je nachdem wie ihr Lust habt, oder vielleicht auch schon früher auf...




Bis dann!
Eure Kate


   





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen