Sonntag, 8. November 2015

Geisterstunde [Teil 04] Kapitel 3


Hallo ihr Lieben!
Mittlerweile stecke ich schon wieder bis über beide Ohren im Schreibchaos. Die erste Woche des NaNoWriMo ist nun um und am liebsten hätte ich jetzt mal ein paar Tage Pause von der Arbeit, dem Buch und dem Blog, aber man kann ja nicht alles haben, außerdem machen mir diese Dinge viel zu großen Spaß. Noch besser ist es aber, eure Kommentare zu meinen Geschichten zu lesen. Deswegen entlasse ich euch jetzt, damit ihr das neue Kapitel lesen könnt, das übrigens hier erschienen ist...





Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht Amalia Altenberg mit ihrer Mutter in deren Geburtsort Würzburg. Im Haus ihrer Großmutter scheint es lange gehütete Geheimnisse zu geben. Flüsternde Stimmen halten Am nachts wach und verfolgen sie sogar in ihren Träumen. Als sie bei einer Übernachtungsparty mit ihren neuen Freundinnen die verschlossene Tür im Hausgang öffnet, stößt sie auf eine völlig andere Welt. Bei einer harmlosen Partie mit dem Hexenbrett rufen die vier Freundinnen versehentlich einen rachsüchtigen Geist, der offenbar noch eine Rechnung mit der Familie Altenberg zu begleichen hat. Kann Amalia mit ihrem begrenzten Wissen über Magie den Geist vertreiben? Und welche Geheimnisse hütet ihre Großmutter noch?






Die Fahrt zurück zu Ams neuem Zuhause verlief schneller als am Morgen. Eleonora schien es richtig eilig zu haben. Als sie den leicht panischen Blick ihrer Enkelin bemerkte, winkte sie gelassen mit der Hand und bog mit derselben hohen Geschwindigkeit auf den Feldweg in den Wald ein. In der Mittagssonne wirkten die Schatten unter den Bäumen noch dunkler und bedrohlicher. Obwohl es alles andere als kalt war, begann Amalia augenblicklich zu frösteln und schlang die Arme um sich. Ihre Großmutter deutete dies als Schutzmechanismus, falls sie einen Unfall bauen würde.
   „Schätzchen, du brauchst keine Angst zu haben. Seit fast vierzig Jahren fahre ich den Weg nun schon hoch und runter. Meinst du nicht, du könntest mir vertrauen? Ich kenne diese Strecke besser als meine Westentasche!“ Sie klang fast ein bisschen empört und versuchte ihren Worten Ausdruck zu verleihen, indem sie um eine der großen Baumwurzeln herumfuhr. Ein wenig zu großzügig, denn nun holperte ihr Geländewagen über eine Wurzel auf der anderen Seite.
Am musste urplötzlich lachen und Eleonora stimmte mit ein. So laut hatte Am schon seit Langem nicht gelacht. Nicht mal als sie auf den ausgetretenen Kiesweg zum Haus fuhren, konnte sie damit aufhören. Es tat ihr einfach zu gut. Würzburg schien tatsächlich einen guten Einfluss auf sie zu haben, wie es Marcella vor ihrer Abreise mehrmals erklärt hatte. Hier fühlte sich alles so viel einfacher und besser an. Sie hatten ein Haus, tolle Möbel, Bücher, wohin das Auge auch sah und Mitschüler, die vielleicht sogar mehr werden könnten, als das.

Im Haus wollte Am sofort nach oben rennen. Sie hatte irgendwie das dringende Bedürfnis in einem ihrer Bücher etwas nachzulesen. Eleonora hielt sie jedoch zurück.
   „Ich habe noch etwas Eintopf von gestern da. Wenn du welchen möchtest, dann mache ich ihn warm.“ Die Hand ihrer Großmutter auf Amalias Schultern war genauso warm, wie ihre Stimme. Es war ein schönes Gefühl, dass sie sich um Am kümmerte. Nach all den verpassten Jahren fühlte es sich richtig an. Die Beiden hatten einiges nachzuholen.
Dankbar nickte Am ihr zu und verschwand in ihr Zimmer. Dass sie etwas nachschlagen wollte, hatte sie schon wieder vergessen.

Stattdessen kramte sie in ihrer Tasche mit den Büchern nach einem ziemlich abgewetzten Exemplar. An manchen Stellen waren die Stickereien des chinesischen Seideneinbands komplett zerstört. Amalia öffnete das Buch bei einer freien Seite und begann wie wild darauf loszuschreiben. Sie wollte alles aus sich herauslassen, was ihr seit ihrer Abreise aus Berlin passiert war.
Am meisten schrieb sie über das Flüstern, das sie immer wieder unten im Gang hörte. Außer ihr schien es niemandem aufgefallen zu sein, weder Eleonora noch Marcella hatten darauf reagiert. Entweder war Amalia nun wirklich verrückt geworden, oder hinter der Tür befand sich tatsächlich etwas Merkwürdiges.
Während sie über diese beängstigenden Vorgänge nachdachte, kaute sie auf ihrem Bleistift herum. So wie sie es immer tat, wenn eine Sache sie besonders beschäftigte.
   „Amalia, Schätzchen, dein Eintopf wird kalt! Komm bitte runter, ich mag es nicht, wenn du auf deinem Zimmer isst“, tönte es plötzlich von unten zu ihr herauf. Eleonora hörte sich auf einmal nicht mehr so freundlich an, eher streng. Fast ein wenig so, als würde sie mit ihrer Tochter sprechen, und nicht mit ihrer Enkelin. Waren nicht alle Großeltern nett zu ihren Enkelkindern und hielten ihren Kindern Vorträger über die Dos und Don'ts der Erziehung? Aber Eleonora schien nicht wie alle Großeltern zu sein. Sie war einfach Eleonora Altenberg. Mit diesem Namen assoziierte Amalia nicht unbedingt Freundlichkeit, eher Strenge und Stolz.
   „Ich bin schon unterwegs!“ Seufzend klappte sie ihr Tagebuch zu und schob es unter ihr Kopfkissen. Sie wollte nicht, dass es jemand fand. Vor allem nicht ihre Großmutter. Am Ende hielt man sie tatsächlich für irre wegen der Stimmen, die sie zu hören glaubte.
Vielleicht sollte sie wirklich mal mit Eleonora über diese verdammte Tür sprechen. Seit Am hier in Würzburg war, drehte sich jeder zweite Gedanke um dieses Ding. Um nicht wahnsinnig zu werden, sollte sie endlich klären, was sich dahinter befand.

Polternd rannte Amalia die Treppe hinunter und stürmte in die Küche. Eleonora wartete bereits auf sie, einen dampfenden Teller voll Eintopf in der Hand. Sie versuchte zu lächeln, doch wirkte es nicht echt. Ungeduldig tippte sie mit ihrem Finger auf die Tischplatte. Diese Bewegung nervte Am so sehr, dass sie ohne zu zögern die Hand ihrer Großmutter umschloss und diese somit zwang, ruhig zu bleiben. Nun war es nicht mehr zu übersehen, dass Eleonora in Eile war. Den Eintopf stürzte sie  beinahe noch schneller herunter als am Abend davor.
   „Tut mir leid, Schätzchen, aber mir kribbelt es in den Fingern. Endlich, nach so vielen trostlosen Jahren habe ich wieder Ideen für Bücher! Tonnenweise! Das macht mich ganz verrückt!“ Eleonora entzog sich Ams Hand und hob ihre in die Höhe. Ihre Stimme war ein Tick zu laut für Amalias Geschmack, doch sie konnte ihre Großmutter verstehen. Schließlich schrieb sie selbst seit Jahren an Geschichten basierend auf ihren Träumen.
Genau in diesem Moment fiel ihr wieder ein, was sie heute Nacht wach gehalten hatte. Die schrecklichen Bilder, die sie im Schlaf heimgesucht hatten. War darin nicht auch die Tür vorgekommen? Es schien keinen besseren Zeitpunkt zu geben, um ihre Großmutter danach zu fragen. Möglicherweise war sie zu abgelenkt von ihren Ideen und sie antwortete ihr direkt, ohne nachzudenken. Oder aber es war gar nichts Schlimmes dahinter und Am war tatsächlich verrückt. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig.
   „Was ist mit der Tür im Gang? Wieso ist sie verschlossen?“ Entgegen ihrer Erwartungen gingen  diese beiden Fragen ohne Mühen über die Lippen. Der Blick, den Eleonora ihr zuwarf, brachte sie jedoch zum Schweigen. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, das Gesicht aschfahl und die Falten darin nur umso tiefer.
   „Nichts! Nichts ist mit der Tür“, schrie ihre Großmutter hysterisch und ließ den Löffel in ihren halbvollen Teller fallen. Sie schien die Spritzer auf ihrem weißen Pullover überhaupt nicht zu bemerken. Abrupt stand sie auf und warf den Teller in die Spüle. Er zerbarst mit einem lauten Knacken in mehrere Teile. Erschrocken ließ auch Amalia den Löffel sinken und musterte ihre Eleonora, die mit dem Rücken zu ihr stand und offenbar um Fassung rang.
   „Warum ist sie verschlossen?“ Langsam wiederholte Am jedes Wort der zweiten Frage und legte so viel Nachdruck hinein, wie sie im Moment aufbringen konnte. Wie in Zeitlupe drehte sich ihre Großmutter zu ihr um und schien nach Worten zu suchen, da sich ihr Mund unkontrolliert öffnete und wieder schloss.
   „Es hat seine Gründe, Amalia.“ Mit diesem nichtssagendem Satz drehte sie sich um und verschwand. Keine Minute später hörte man, wie oben eine Tür heftig zuschlug.
Seufzend ließ sich Amalia wieder auf den Hocker an der Anrichte sinken und stocherte in ihrem mittlerweile lauwarmen Eintopf. War sie gerade eben noch am Verhungern gewesen, brachte sie nun kaum einen Bissen hinunter.
Als ihr Blick dann auf die Treppe fiel und beinahe automatisch zur verschlossenen Tür wanderte, meinte sie erneut das Flüstern zu hören. Leise bewegte sie sich auf den Gang zu, die Stimmen schienen sie schon zu erwarten. Als sie endlich das Holz berührte, war es eiskalt.

   Amalia! Amalia, mach' die Tür auf! Amalia, wir wollen hier raus! Amalia!

Wie Donnerschläge hallte das Wispern in ihrem Kopf wieder. Was auch immer hinter dieser Tür war, es war wütend und wollte endlich befreit werden. Panisch wich Am ein Stück zurück und betrachtete ihre Hand. Sie war schwarz, von Asche und Ruß gefärbt, obwohl die Tür an sich nicht schmutzig wirkte. Sollte man sich nicht seinen Schwächen stellen? Wenn diese Stimmen tatsächlich bloß in ihrem Kopf existierten, wenn sie tatsächlich bloß ein Produkt ihrer Fantasie waren, dann konnte sie genauso gut fragen, was sie von ihr wollten. Oder wer sie waren.
Langsam ließ sich Am an der Wand der Treppe hinabgleiten, den Kopf an den Türrahmen angelehnt.

   Hallo?

Dieses einfache Wort, war das Einzige, das ihr im Moment einfiel. Was hätte sie sonst auch sagen sollen? Die Situation erschien ihr so verrückt, dass sie versucht war in lautes Gelächter auszubrechen. Aus Angst vor ihrer Großmutter hielt sie sich jedoch zurück.
Eine ganze Weile blieb es still auf der anderen Seite der Tür. Amalia dachte schon fast, dass es vorbei war, dass sie die Stimmen mit einem einfachen „Hallo“ vertrieben hatte, doch ganz plötzlich versteifte sich ihr Körper.

   Hallo, Amalia!

Diese Stimme war eindeutig männlich und mit einem Flüstern hatte sie nichts gemein. Zu leise und zischelnd drang die Begrüßung von der anderen Seite an ihre Ohren. Am begann zu zittern. Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie das wirklich wollte. In der Hoffnung, es würde etwas bringen, fuhr sie mit ihrer kleinen Befragung fort.

   Wer seid ihr?

Der Gedanke drängte sich zuerst in den Vordergrund ihres Bewusstseins. Es schien ihr nur angebracht zu wissen, was das in ihrem Kopf war. Vielleicht konnte sie es so besser eliminieren.

   Wir sind deine Freunde, Amalia.

Wieder war es die männliche Stimme, die zu ihr sprach. Erschrocken wich Am ein Stück von der Tür weg. Diese Antwort war eindeutig die einer Verrückten. Vielleicht war sie schizophren oder etwas in der Art. Eiskalte Schauer liefen ihren Rücken hinunter und ließen sie frösteln.

   Was wollt ihr von mir?

Auf ihre zweitwichtigste Frage antwortete zunächst niemand. Doch plötzlich erhob sich von jenseits der Tür ein solches Stimmengewirr, flüsternd zwar, aber dennoch so impulsiv, dass ihr Kopf zu schmerzen begann.
   „Hört auf! Hört auf! Lasst mich in Ruhe!“ Schreiend rannte sie weg von diesem schrecklichen Ort. Die Tür machte sie noch wahnsinnig, wenn sie es nicht schon längst war. Wie ein wütender Schwarm Bienen verfolgten sie die Stimmen hinauf in den ersten Stock. Um sich schlagend und noch immer kreischend versuchte sie die unsichtbaren Wesen zu vertreiben, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Als die Stimmen einen so lauten Ton erreicht hatten, der Amalias Kopf beinahe zum Platzen brachte, berührte sie etwas am Arm. Irgendetwas oder irgendwer zog sie fest an sich und ließ sie nicht mehr los. Wütend zischelten die Stimmen unverständliche Worte, ehe sie urplötzlich verschwanden. Als Am die Augen öffnete, blickte sie in das besorgte und gleichsam wütende Gesicht ihrer Großmutter.
   „Ich hatte doch gesagt, dass es gute Gründe gibt, warum die Tür verschlossen ist, Amalia. Geh auf dein Zimmer und ruhe dich aus. Das ist im Moment das Beste, was du tun kannst“, zischte Eleonora ihrer Enkelin in einem scharfen Tonfall zu.
Nun war sie tatsächlich die Person, die Amalia jahrelang mit diesem Namen assoziiert hatte. Abrupt zog ihre Großmutter ihre Arme weg und schubste Am in Richtung der Treppe. Nur sehr langsam, wie aus einer Trance erwachend, tapste sie darauf zu und stieg mit schmerzenden Gliedern die Stufen hinauf.



In ihrem Zimmer angekommen, gab es wirklich nichts, was sie lieber getan hätte. Sie wollte einfach nur schlafen und sank völlig entkräftet auf ihrem Bett zusammen. Noch immer war ihr eiskalt, weswegen sie die Decke weit über ihren Kopf zog. Am bemühte sich so ruhig wie nur möglich zu atmen, schloss die Augen und schlief nach langem Ringen mit ihren Gedanken ein. Diesmal suchte sie kein schrecklicher Traum heim. Nur hin und wieder glaubte sie ihren Namen zu hören, aber das konnte genauso gut der Wind gewesen sein.


Ist Am verrückt, weil sie diese Stimmen hört oder sind sie tatsächlich real? Was haltet ihr bisher von der Geschichte?
Ein neues Kapitel kommt nächsten Sonntag für euch und alle, die nicht so lange warten können, sollten mal hier vorbeischauen...




Ich freue mich schon auf eure Vermutungen und Meinungen!
Eure Kate

   




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