Sonntag, 6. September 2015

Nur ein einziges Wort von dir... [Teil 7] Tom


Hallo ihr Lieben!
Jetzt habe ich endlich mit meiner Ausbildung angefangen und bin noch immer total aufgeregt auf die kommenden Jahre. Eingelebt hier in Frankfurt habe ich mich noch nicht ganz, wohne ja erst seit diesem Monat hier, aber ich denke, das wir schon noch :)
Heute haben wir die Hälfte meines kleinen Buchprojekts erreicht und ich bin wirklich froh, dass es nicht mehr so einsam in einem Ordner auf meiner Festplatte herumsitzen muss. Jetzt ist es nicht mehr ganz so alleine :P
Jills Leben ist überschattet von Angst und Einsamkeit. Seit dem Verschwinden ihrer Eltern verfolgt sie eine dunkle Alptraumgestalt, die ihr verbietet über die damaligen Ereignisse zu sprechen. Ihr einziger Vertrauter ist eine alte Weide, der sie in Briefen ihre dunkelsten Geheimnisse verrät. Dies ändert sich allerdings, als Tom, ihr Mitschüler, in ihr Leben tritt. Etwas an Jill fasziniert ihn so sehr, dass er nicht locker lässt, bis er schließlich erfährt, was in jener schicksalshaften Nacht vor so vielen Jahren passiert ist. Und auch Jill fühlt sich zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich sicher in seiner Gegenwart, doch der Schattenmann aus ihrer Vergangenheit kennt keine Gnade.






Noch immer bekam ich das Bild, als das schwere Regal mitsamt seinem Inhalt umkippte und auf mich fiel, nicht aus dem Kopf. Die Krankenschwester unserer Schule meinte, dass ich Glück gehabt hätte. Es wäre ihrer Meinung nach nicht auszudenken gewesen, was alles hätte passieren können, wenn die Deckel einiger Putzmittelflaschen nicht richtig zugeschraubt gewesen wären. Ich konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen, und wollte es, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Zum Glück hatte ich bloß ein paar Prellungen und blaue Flecken, doch das kümmerte mich kaum. Viel wichtiger war mir, was mit Jill passiert ist, nachdem sie so plötzlich geflohen war.
Was war bloß in sie gefahren?
Mein Vater tobte noch immer im Büro des Direktors. Ich hatte zwar nichts von ihr erzählt, doch konnte er es nicht glauben, dass ein Schüler in diesem Haus von einem Regal erschlagen wurde. Er konnte wirklich schlimm werden, wenn er wütend war. In diesem Moment tat mir unser Direktor schrecklich leid, aber ich wollte Jill nicht verraten. Das wäre nicht fair gewesen, schließlich war ich derjenige, der sie gegen ihren Willen in die Putzkammer gezerrt hatte. Jetzt hatte ich es mir endgültig mit ihr verscherzt. Ich würde nie hinter ihr Geheimnis kommen.
Was konnte sie nur so verängstigt haben?
Klar, ich kann verstehen, dass sie sauer auf mich war. Ich hatte ihren geheimen Ort gefunden und auch noch ihre Briefe gelesen. Gut, im Grunde waren es nur zwei gewesen, aber trotzdem... Ich hätte es ihr nicht sagen dürfen. Aber wie sollte ich sonst an Antworten kommen?
Die Briefe!
Wenn ich die lese, finde ich sicherlich irgendwelche Hinweise darauf, was mit ihr los ist. In den nächsten Tagen würde sie bestimmt nicht dorthin zurückkehren, sodass mir genügend Zeit blieb, um darin zu stöbern. Auch wenn man das eigentlich nicht tun darf, ich musste es wagen. Vielleicht konnte ich ihr ja mit dem ganzen Wissen, das ich durch die Briefe erhielt, helfen.

Mit hochrotem Kopf verließ mein Vater das Direktorat, ohne auch nur ein Wort zu mir zu sagen. Ich folgte ihm nach draußen. Die Schwester hatte angeordnet, dass ich mich ausruhen sollte, aber das konnte ich nicht. Mein Dad musste später wieder auf die Arbeit, sodass ich bis sieben Uhr abends alleine in unserem riesigen Haus war. Ich mochte das nicht, es war irgendwie unheimlich. Als meine Großeltern noch gelebt hatten, war es viel schöner dort gewesen. Die beiden waren immer so lustig, aber das ist schon lange her.
Die Fahrt nachhause verlief ebenso schweigsam, selbst das Radio war ausgeschaltet. Sehr gespenstisch...
Mein Vater hatte offensichtlich nur sehr wenig Zeit. Er hielt vor unserem Haus und bedeutete mir, mit noch immer sehr rotem Gesicht, auszusteigen und fuhr davon, kaum dass ich die Autotür zugeschlagen hatte. Ich rannte, auch wenn mir jeder Knochen schmerzte, als wäre er gebrochen, zur Haustür und schloss diese auf. Kaum angekommen warf ich meine Tasche auf den Boden, schnappte mir den kleinen Notizblock von der Schuhkommode und einen Stift, nur um gleich wieder aus der Tür zu verschwinden. Ich war so aufgeregt, endlich mehr über Jills Geheimnis herauszufinden, dass ich es für besser befand, zu Fuß zu gehen. Hätte ich mein Rad genommen, wäre ich in meiner derzeitigen Verfassung vermutlich im nächsten Straßengraben gelandet. Außerdem war der Weg zum Park gar nicht so lang.
Eine Viertelstunde später stand ich vor dem Eingang zum Dickicht, in dem sich der alte Baum befand. Mein Herz klopfte schon jetzt wie verrückt in meiner Brust und egal, was ich versuchte, es wollte nicht langsamer werden. Bevor ich den nur sehr schlecht erkennbaren Trampelpfad betrat, blickte ich mich vorsichtshalber in alle Richtungen um. Zwar wollte ich das Geheimnis von Jill endlich erfahren, dieses jedoch mit keinem teilen. Das wäre ihr gegenüber nicht nett, obwohl das, was ich gerade tat, auch nicht wirklich sehr nett war. Ich tröstete mein schlechtes Gewissen damit, dass ich ihr besser helfen könnte, wenn ich wüsste, was mit ihr los war, und verschwand in der dichten Hecke.
Es dauerte etwas länger, bis ich Jills Baum gefunden hatte, doch er war mit seinen hängenden Ästen kaum zu übersehen. Wieder beobachtete ich aufmerksam meine Umgebung, ehe ich die Zweige wegschob und hinter sie trat. Der geheime Ort war noch genauso, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Vorsichtig grub ich nach der Kiste und brauchte einige Minuten, ehe ich sie gefunden hatte. Es war erstaunlich, wie viele Briefe sie geschrieben hatte. Einen nach dem anderen nahm ich mir vor. Je mehr ich las, umso aufgeregter wurde ich. Doch es war enttäuschend, dass sie trotzdem noch so geheimnisvoll blieb. Sie schrieb ständig, wie sehr sie ihre Mutter doch vermisste und dass Lucy sich ja so wunderbar um sie kümmern würde.
Ich wollte schon aufgeben, als mir ein Umschlag in die Hände fiel, auf dem deutlich zu erkennen war, dass Jill geweint haben musste, als sie den Brief verfasst hatte. Und dann kam der erst Hinweis, der mich vielleicht weiterbringen würde.
Der böse Mann.
Immer wieder schrieb sie von ihm, dass sie ihm versprochen hatte, nichts zu sagen, dass sie ihn im Traum sah. Irgendetwas Schreckliches musste ihr passiert sein. Etwas über das sie nicht sprechen konnte. Hm, was ich bis jetzt über sie wusste, reichte noch nicht aus, um alles zu verstehen. Ihre Eltern waren tot, soweit hatte ich das aus den Briefen schon herauslesen können. Sie lebte seitdem bei ihrer Tante Lucy, die sich offenbar sehr gut um sie kümmerte.
Aber wer war dieser böse Mann?
Was hatte er mit ihr zu tun?
Ich suchte in der Kiste nach weiteren Briefen, doch dieser war der letzte gewesen. Ich wusste nicht, ob sie noch mehr versteckt hatte, es wäre sinnlos gewesen, danach zu suchen, zumal die Sonne schon unterging. Mein Blick auf die Uhr bestätigte meine Sorgen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis meine Eltern zurückkommen würden und mein Vater wäre sicherlich nicht sehr gut auf mich zu sprechen, wenn er bemerkt hätte, dass ich mich draußen herumtrieb.
Aber was sollte ich machen?
Jill hasste mich dafür, dass ich diesen Ort quasi entweiht hatte. Irgendwie musste ich das wiedergutmachen. Ich überlegte einige Zeit, was ich tun könnte, als mir der Block, der auf meinen Knien lag, ins Auge fiel. Wenn sie schon nicht mit mir sprach, vielleicht könnten wir dann ja über diese Briefe kommunizieren. Dieser Ort war ihr, meiner Meinung nach, viel zu wichtig, als dass sie ihn einfach so aufgegeben hätte. Sie würde sicherlich zurückkehren und dann sollte sie meinen Brief finden. Entschlossen kritzelte ich meine Nachricht auf den kleinen Block und legte sie ganz oben auf die Ansammlung von Umschlägen. Obwohl ich gerade einen Monat Hausarrest riskierte, nahm ich mir noch die Zeit, um die Kiste ordentlich einzubuddeln, so dass sie ein Außenstehender, der zufällig hier vorbeikam, nicht bemerken würde. Dann stand ich auf und lief so schnell ich konnte zurück zu unserem Haus. Als ich dort ankam, war es noch immer verlassen. Ein wenig erleichtert schloss ich die Tür auf und platzierte mich so auf dem Sofa, dass jeder denken musste, ich läge dort schon seit Stunden herum.
Jills böser Mann wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. 









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