Sonntag, 27. September 2015

Nur ein einziges Wort von dir [Teil 10] Jill


Hallo ihr Lieben!
Der September ist schon fast um und der Herbst kommt immer näher. Könnt ihr euch noch an Jills Ansichten über diese Jahreszeit erinnern? Findet ihr den Herbst auch nicht so toll oder seid ihr begeistert von ihm? 
Ich bin da ja eher Jills Meinung, aber ich bin froh, dass es bald wieder kälter wird. Ich bin nicht wirklich für die Sommerhitze geschaffen :)
Jills Leben ist überschattet von Angst und Einsamkeit. Seit dem Verschwinden ihrer Eltern verfolgt sie eine dunkle Alptraumgestalt, die ihr verbietet über die damaligen Ereignisse zu sprechen. Ihr einziger Vertrauter ist eine alte Weide, der sie in Briefen ihre dunkelsten Geheimnisse verrät. Dies ändert sich allerdings, als Tom, ihr Mitschüler, in ihr Leben tritt. Etwas an Jill fasziniert ihn so sehr, dass er nicht locker lässt, bis er schließlich erfährt, was in jener schicksalshaften Nacht vor so vielen Jahren passiert ist. Und auch Jill fühlt sich zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich sicher in seiner Gegenwart, doch der Schattenmann aus ihrer Vergangenheit kennt keine Gnade.






Als wir die Polizeiwache betraten, fühlte mich wieder in die Vergangenheit zurückversetzt. Nichts hatte sich verändert. Es waren sogar noch die Polizisten von damals im Dienst. Kommissarin Jane Mahoni, die Frau, dich sich damals um mich gekümmert hatte, nachdem mich die Wanderer auf die Wache gebracht hatten, kam sofort auf mich zu. Sie schien sich noch an mich zu erinnern.
„Jill? Bist du das? Du meine Güte bist du groß geworden!“
Für kurze Zeit erhellte ein Lächeln ihr gealtertes Gesicht. Sie musste jetzt um die vierzig sein, wenn ich mich nicht verschätzt hatte. Ich nickte bloß und augenblicklich verschwand der freundliche Gesichtsausdruck wieder.
„Warum seid ihr hier? Habt ihr was angestellt?“
In ihre Stimme, die schon immer sehr viel Autorität ausgestrahlt hatte, mischte sich ein vorwurfsvoller Tonfall. Sie schien etwas zu ahnen. Ich sagte nichts, schüttelte bloß den Kopf. Ich fühlte mich richtig schlecht, doch Toms Arm um meine Schulter gab mir Kraft.
„Jill möchte etwas klären. Ich bin Tom, ein Freund von ihr.“
Er streckte der Kommissarin seine freie Hand hin. Ich war so froh, dass ich ihn dabei hatte, obwohl ich ihn eigentlich kaum kannte. Mahoni sah uns beide etwas verwirrt an, doch dann schien sie zu begreifen und führte uns schweigend in eines der Vernehmungszimmer. Auch hier hatte sich kaum etwas geändert.
„Was weißt du über diesen Fall, Tom? Hat sie dir etwas gesagt?“
Offenbar konnte sich Mahoni noch zu gut an mich erinnern. Damals hatte ich auch nicht mit ihr gesprochen. Sie wusste, dass mit mir nicht zu rechnen war.
„Nein, nur sehr wenig, aber sie will zu dem Ort. Haben sie eine Karte, dann könnte sie uns den Weg sicher zeigen?“
Mein neuer Mitschüler überraschte mich erneut. Normale Menschen wären vermutlich schon längst durchgedreht, wenn sie erfahren hätten, was sich damals zugetragen hätte. Selbst wenn sie nur die vagen Berichte aus der Zeitung kannten. Mahoni sprang auf und lief aus dem Zimmer, vermutlich holte sie gerade die Karte. Da fiel mir ein Schriftzug auf dem Tisch auf. Ich kannte ihn, hatte ihn selbst dorthin geschrieben.

Es war an dem Tag, als meine Eltern starben. Die Wanderer hatten mich hierher gebracht, weil sie weit und breit niemanden gefunden hatten, der zu meiner Familie gehörte. Wie denn auch, schließlich hatte der böse Mann mich weggeführt, damit sie meine Eltern nicht finden konnten.
Ich saß genau dort, wo die Kommissarin nun ihren Platz hatte.
Ich hatte damals nichts sagen können, weil ich Angst vor dem bösen Mann gehabt hatte, aber ich hatte meine Tante dazu bringen müssen, herzukommen. Ich wollte nicht ins Heim. Also schrieb ich ihre Adresse und die Telefonnummer mit einem Edding, der rein zufällig auch auf dem Tisch lag, auf die Holzplatte und den Satz „Sie sind alle tot.“ darunter.
Zunächst hatte die Polizei geglaubt, die Leute dort wären gestorben, doch als sie meine Tante in ihrem kleinen Apartment vorgefunden hatten, hatten sie gewusst, dass ich meine Eltern damit gemeint hatte. Mehr hatte ich nicht zu diesem Fall gesagt. Mehr durfte ich auch nicht sagen, sonst wäre der böse Mann gekommen.
Tom folgte meinem Blick und entzifferte die kritzeligen Buchstaben.
„Ist das von dir?“
Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Die ganze Sache nahm ihn also doch mit. Ich nickte und eine ausdruckslose Maske erschien auf seinem Gesicht. Kurz darauf kam Mahoni mit einer schon etwas zerfledderten Wanderkarte zurück und breitete diese auf dem Tisch aus. Ich konnte mich nicht mehr richtig erinnern, wie der Name der Straße lautete, auf der wir damals gefahren sind, bevor wir zu dem großen Parkplatz gekommen waren, doch ich tat mein Bestes und tatsächlich schien ich den Weg wiederzufinden.
Wir waren damals oft auf dieser Lichtung gewesen. Jedes Wochenende, um genau zu sein. Keiner kannte diesen Ort, nur wir hatten davon gewusst. Deswegen hatte man sie nicht gefunden.
Ich schnappte mir einen Stift, der auf dem Pult herumlag, und kreiste die Lichtung ein. Ein erwartungsvolles Grinsen erhellte die Gesichtszüge der Kommissarin.
„Okay, Jill. Das hast du gut gemacht. Wir holen schnell Bobby, den kennst du ja noch, dann können wir gehen.“
Ich hasste es, wenn man mit mir sprach, wie ein kleines Kind. Manche Leute, die wussten, was passiert war, glaubten immer noch, ich wäre geistig zurückgeblieben.
Mahoni erhob sich und wir folgten ihr aus dem Vernehmungsraum. Draußen herrschte reger Betrieb, doch das war mir egal. Ich hielt Ausschau nach dem bösen Mann.
Ob er vielleicht doch noch kommen würde?
Ich wollte gar nicht daran denken, aber ich hatte ja auch noch Tom. Er wusste als Einziger Bescheid. Möglicherweise könnte er mich ja vor dem bösen Mann beschützen. Als Mahoni mit Bobby, einem etwas älteren Schäferhund, zurückkam, sprangen einige Leute beiseite. Ich kannte ihn wirklich noch von damals. Da war er noch nicht so weiß um die Schnauze gewesen. Sie hatten mich mit ihm spielen lassen, weil sie dachten, ich würde dann vielleicht reden. Als ich mal alleine mit ihm im Vernehmungszimmer war, ist der böse Mann gekommen und hat gedroht Bobby wehzutun, wenn ich was sagen würde. Also habe ich weiter eisern geschwiegen und dem Hund war nichts geschehen.
„Lasst uns fahren! Jungs, ich bin mal kurz weg. Hab was zu erledigen...“
Sie nickte ihren Kollegen zu und verschwand mit uns und dem Hund aus der Wache. Die Fahrt zu dem Parkplatz verlief schweigend und glücklicherweise ohne den bösen Mann. 








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