Sonntag, 25. Oktober 2015

Geisterstunde [Teil 02] Kapitel 1



Hallo ihr Lieben!
Eine ganze Woche musstet ihr auf das neue Kapitel warten. Ich hoffe, ihr wisst noch, was im Prolog passiert ist. Wenn nicht, ist jetzt die Zeit gekommen, ES NACHZULESEN.
Bald beginnt der nächste NaNoWriMo und sitze schon an den Vorbereitungen dafür. Vielleicht schreibe ich den Nachfolger, also Zauberhaftes Würzburg Teil 2. Mal gucken :)
Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen. Das Kapitel findet ihr wie immer auch auf...

Nach der Scheidung ihrer Eltern zieht Amalia Altenberg mit ihrer Mutter in deren Geburtsort Würzburg. Im Haus ihrer Großmutter scheint es lange gehütete Geheimnisse zu geben. Flüsternde Stimmen halten Am nachts wach und verfolgen sie sogar in ihren Träumen. Als sie bei einer Übernachtungsparty mit ihren neuen Freundinnen die verschlossene Tür im Hausgang öffnet, stößt sie auf eine völlig andere Welt. Bei einer harmlosen Partie mit dem Hexenbrett rufen die vier Freundinnen versehentlich einen rachsüchtigen Geist, der offenbar noch eine Rechnung mit der Familie Altenberg zu begleichen hat. Kann Amalia mit ihrem begrenzten Wissen über Magie den Geist vertreiben? Und welche Geheimnisse hütet ihre Großmutter noch?






Gegen halb sieben klopfte es an Amalias Tür. Nachdem sie die meiste Zeit mit Ausräumen verbracht hatte, hatte sie sich die letzte Stunde etwas Ruhe gegönnt, konnte jedoch nicht schlafen. Sie reagierte nicht sofort und so öffnete ihre Großmutter zaghaft die Tür, um zu sehen, ob ihre Enkelin noch wach war.
   „Amalia? Hast du Hunger? Ich habe Suppe gemacht. Komm doch runter, wenn du möchtest“, sagte sie mit leiser Stimme und verschwand gleich darauf. Für ein paar Minuten blieb Am noch auf ihrem Bett liegen und kämpfte gegen ihre Kopfschmerzen an. Das beständige Gefühl, irgendetwas würde nicht stimmen, irgendetwas würde sie zu sich rufen, wollte einfach nicht aufhören. Hinzu kam das gelegentliche Flüstern ihres Namens. Das alles führte dazu, dass sie sich langsam für verrückt hielt.
Sie wusste, dass es niemanden gab, außer ihre anwesenden Familienmitglieder, die ihren Namen kannten. Niemand hier in Würzburg wusste, dass sie und ihre Mutter von nun an bei Eleonora leben würden. Bestimmt bildete sie sich das bloß ein. Wenn sie sich nur stark genug konzentrieren und das Wispern ignorierte, dann verschwand es sicherlich bald.
Von diesem Gedanken ermutigt schlich sie die Treppen hinunter in den Gang. Falls Marcella noch schlief, wollte Amalia sie nicht wecken. Im Esszimmer angekommen erwarteten sie ein bereits gedeckter Tisch und der herrliche Duft nach einem guten Eintopf.
   „Ah, da bist du ja. Deine Mutter ruht sich noch etwas aus. Sie muss morgen schon arbeiten. Ein bisschen schnell, findest du nicht? Aber du musst schließlich auch zur Schule … Na ja, egal. Lass uns endlich was essen, ich bin am Verhungern!“ Kaum hatte sie das gesagt, schöpfte sie sich auch schon etwas von dem dampfenden Essen in ihren Teller. Mit einem zufriedenen Seufzen begleitet von gelegentlichem Schlürfen verschlang sie die ganze Portion, noch ehe Amalia auch nur in der Lage war, ihre Schüssel zu füllen. Ihren gesunden Appetit hatte Am anscheinend von ihrer Großmutter geerbt. Schmunzelnd sah sie dieser dabei zu, wie sie auch Teller Nummer zwei in Sekundenschnelle verdrückte und genoss den reichhaltigen Geschmack der Suppe. Sie war köstlich, viel besser als Alexanders Dosenprodukte, die immer dann auf den Tisch kamen, wenn Marcella Nachtschicht hatte.
   „Wie gefällt es dir bisher, Amalia? Ist dein Zimmer wirklich okay für dich? Wir könnten es natürlich auch neu anstreichen oder andere Tapeten nehmen...“ Mit vor Erwartung großen Augen blickte Eleonora sie an. Es schien, als hätte sie genug gegessen.
   „Nein, es ist wunderschön. Danke nochmal für alles, dass du uns hier aufnimmst und so …“ Am wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Sie kannte diese Frau doch gar nicht. Über was sollte sie sich denn mit ihr unterhalten? Wäre ihre Mutter da, dann wäre es vielleicht nicht ganz so merkwürdig.
   „Na dann … Freust du dich schon auf deine neue Schule? Die soll ja ziemlich gut sein, ganz neu und technisiert.“ Auch Eleonora schien nicht genau zu wissen, über was sie mit ihrer Enkelin reden sollte. Die Schule war kein besonders gutes Thema als Grundlage einer anständigen Unterhaltung.
   „Ich weiß nicht genau. Am besten ich lasse mich überraschen. Wie in Berlin wird es sicher nicht werden. Hoffe ich zumindest …“ Bei dem Gedanken an ihre alte Heimat kamen Am wieder Zweifel, ob Marcella die richtige Entscheidung getroffen hatte. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, vermisste Am doch ihren chaotischen Vater. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob es ihm auch so ging.
Um nicht noch länger dieser ungewohnten Situation, mit ihrer Großmutter zu sprechen zu müssen, ausgesetzt zu werden, bemühte sie sich zu gähnen und erhob sich geräuschvoll von ihrem Stuhl.
   „Das hat echt gut geschmeckt. Ist es okay, wenn ich jetzt schlafen gehe? Ich bin irgendwie immer noch müde.“ Mit verschlafenem Blick musterte sie ihre Großmutter, die im schummrigen Licht des Kronleuchters viel älter wirkte. Eleonora nickte verständnisvoll und begann damit, den Tisch abzuräumen.
Als Am schon fast auf dem Gang war, fiel ihr aber noch etwas ein.
   „Gute Nacht, Eleonora,“ flüsterte sie. Lächelnd nickte diese ihrer Enkelin zu, ehe sie in der Küche verschwand und, dem Geräusch nach zu urteilen, den Geschirrspüler einräumte.
Ein wenig verwirrt über diese Reaktion schlich Amalia die Treppen zu ihrem Zimmer hoch. Wahrscheinlich war es für ihre Großmutter genauso seltsam, sie und Marcella ab jetzt im Haus zu haben. Bestimmt hatte sie auch keine Ahnung, über was sie sich unterhalten sollten. Am war sich sicher, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis die Normalität bei ihnen Einzug hielt.
Aber was war eigentlich normal für sie? Grübelnd warf sie sich aufs Bett und betrachtete die hellblaue Decke.
Das Leben, das sie vor der Scheidung ihrer Eltern geführt hatte, hätte aus ihrer Sicht diese Bezeichnung verdient. Für andere dagegen vermutlich nicht. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie sie miteinander umgegangen waren. Gleichstellung war schon seit sie denken konnte das Zauberwort ihrer Eltern. Sie hatten sie nie bevormundet oder ihr etwas verboten. Sie hatten lediglich die Konsequenzen aufgezählt und es ihrer Tochter überlassen, ob sie bereit war, diese zu tragen. Ein normales Leben war das wirklich nicht.  Ob dieses neue Leben anders werden würde? Sicherlich, schließlich gab es nun keinen Alex mehr, der sie mit seinem Dosenfutter fast um den Verstand brachte. Er war viel zu weit weg.
Nein, nun gab es nur noch Marcella und Amalia. Und Eleonora. Ob das so gut war, würde sich in den nächsten Tagen noch zeigen. Normal war es jedenfalls nicht. Nicht wenn es nach Am ging.

Kopfschüttelnd setzte sie sich auf und rieb sich über die Augen. Sie war tatsächlich noch müde. Gähnend tappte sie in ihren Kleiderschrank, der lächerlich leer wirkte, und zog ihr Lieblingsnachthemd aus einem der Fächer hervor. Um genau zu sein, war es gar kein richtiges Nachthemd, viel mehr ein zu großes T-Shirt aus Alexanders Fastivalzeit. Bevor ihre Mutter schwanger geworden war, war er als „Mädchen für alles“ von Konzert zu Konzert gereist. Dabei hatten sich die Beiden kennengelernt. Amalia war das Ergebnis dieser Bekanntschaft und vermutlich einer der wenigen Gründe, die für die überstürzte Heirat der zwei sprachen.
Seufzend entledigte sie sich ihrer Klamotten und schlüpfte in das Shirt. Es duftete eigenartigerweise nach Berlin. Nach ihrer alten Wohnung. Nach ihrem Vater.
Plötzlich rannen heiße Tränen ihre Wangen hinab. Hastig wischte Am sie fort und verfluchte sich dafür. Wenn Marcella sie so sehen konnte, würde sie sich Vorwürfe machen und sofort nach Berlin zurückkehren. Das konnte Amalia nicht verantworten, nicht nach alldem, was ihre Mutter für sie getan hatte. Mit einem bestimmten Nicken aufgrund dieses Gedankens löschte sie das Licht und kuschelte sich in die weichen Laken des großen Betts.
Nicht lange, und sie war eingeschlafen. Das Zirpen der Grillen und das melodische Zwitschern der Vögel hatte einiges dazu beigetragen. Langsam verschwand die Sonne in kräftigen roten und violetten Tönen hinter den Bäumen, und mit ihr sank Amalia immer tiefer hinab in den Schlaf.

Bilder, zunächst bloße Farbtupfer verwoben sich mit der Dunkelheit ihrer Träume. Buchstaben geschnitzt in Holz tauchten vor ihrem inneren Auge auf und vermischten sich miteinander, tanzten hin und her, sodass es ihr schwindelte.
Immer wieder stand sie auf einer Lichtung, hörte den Schrei von Raben, während dichter Nebel bedrohlich näher auf sie zukam, bis sie gänzlich darin eingehüllt war.
Kerzenlicht beleuchtete Gesichter, die ihr völlig unbekannt waren. Sie lächelten, aber als die Buchstaben wieder ihre wilden Tänze aufführten, wurden sie von Panik ergriffen.
Die roten Münder schrien und schrien, doch niemand schien sie zu hören. Dann klingelte ein Handy, Am sah sich selbst von außen, wie sie erbleichte.
Als nächstes rannte sie durch Dunkelheit, begleitete von Nebel und Rabenfedern, die auf sie herabfielen, wie Platzregen. Keuchend schnappte sie nach Luft und blickte im nächsten Moment auf die hellblaue Zimmerdecke in Eleonoras Haus.
Verwundert sah sie sich um. Es dauerte einen Moment, bis sie sich erinnerte, was in den letzten Stunden geschehen war und warum sie sich nicht mehr in Berlin befand. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass es noch dunkel war. Der Mond stand in seiner vollen Pracht über der kleinen Lichtung, auf der sich das Haus befand. Er zauberte dunkle Schatten zwischen die Bäume.
Auf den Schock ihres seltsamen Alptraums musste sie erst einmal etwas trinken. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Vorsichtig huschte sie mit einer Taschenlampe bewaffnet über den Gang und die Treppen hinunter in den Eingangsbereich. Während sie in die Küche tappte, massierte sie sich den Nacken. Er war steif und schmerzte. Vermutlich hatte sie in einer falschen Position gelegen.
Gerade als sie die Tür passierte, die in die Wand der Treppe eingelassen war, ertönte wieder dieses Wispern.

   Amalia! Amalia, komm zu uns! Amalia, lass uns spielen! Amalia!

Immer und immer wieder schwebten diese Worte von der anderen Seite des Holzes an ihr Ohr. Eine plötzliche Gänsehaut befiel sie. Am hatte ja schon viel erlebt, aber undefinierbares Flüstern jenseits einer dunklen Holztür, die vermutlich in einen Keller führte? Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Wahrscheinlich träumte sie bloß und würde ganz bestimmt in wenigen Minuten erwachen. In diesem Zustand konnte ihr nichts passieren. Warum also nicht? Warum sollte sie nicht die Klinke herunterdrücken und nachsehen, was da nach ihr rief? Was konnte einer Träumenden schon geschehen?
Zaghaft streckte sie die Finger nach der schwarzen Klinke aus. Ihre Finger zitterten unkontrolliert, als sie sich um das kalte Metall schlossen. Amalia drückte und zog, doch nichts schien zu helfen. Die Tür ließ sich einfach nicht öffnen.

   Amalia! Amalia, lass uns spielen! Amalia, du brauchst den Schlüssel! Amalia!

Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und starrte auf ihre Hände. Sie waren dunkel, wie mit Ruß und Asche geschwärzt. Panisch wischte sie sich an dem völlig durchgeschwitzten T-Shirt ab und verschwand mit einem Satz in der Küche. Dort griff sie ohne nachzudenken in den Kühlschrank und förderte eine Colaflasche zutage. In gierigen Zügen trank sie beinahe den gesamten Inhalt aus, ehe sie die Flasche zurückstellte und auf die einsetzende Wirkung des Koffeins und Zuckers wartete.
Ganz langsam beruhigten sich ihre Nerven wieder, ihr Herzschlag nahm eine halbwegs normale Geschwindigkeit an und auch die Gänsehaut legte sich.

Vorsichtig und ganz darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, rannte sie zurück in ihr Zimmer. Noch immer glaubte sie, dass sie träumte.
Vielleicht würde es ihr das Aufwachen erleichtern, wenn sie sich in ihr Bett legte. Für eine Weile geschah überhaupt nichts. Also vertrieb sich Am die Wartezeit mit dem Zählen der Sterne, die sie von ihrem Platz aus sehen konnte. Es war gar nicht so leicht, weil der Mond so hell schien. Irgendwann, kurz bevor der Morgen graute, fielen ihr dann endlich die Augen zu. Wieder sank sie hinab in die allumfassende Dunkelheit des Schlafs, nur um Sekunden später in einem hell erleuchteten Zimmer von sanfter Klaviermusik geweckt zu werden.
Yirumas „River flows in you“ drang aus dem schlechten Lautsprechers ihres Handys zu ihr herüber. Anfangs hatte sie dieses Stück geliebt und mit Freuden als Weckalarm gespeichert, doch nun nach so unzähligen grauenhaften Nächten war sie es leid, dieses Geklimper auch nur eine Minute länger zu ertragen.
Genervt drückte sie auf die Schlummer-Taste und erhob sich aus ihrem Bett. Träge und völlig übermüdet schlappte sie in ihrem Kleiderschrank und zog die Klamotten an, die sie für ihren ersten Schultag zurecht gelegt hatte. Mit einer gefühlten Tonne Schminke im Gesicht, sah sie halbwegs annehmbar und nicht mehr ganz so fertig aus. War das tatsächlich bloß ein Traum gewesen? Oder doch Realität?
So unsinnig und verrückt es auch klingen mochte, irgendetwas stimmte mit diesem Haus überhaupt nicht. Was genau das war, würde sie schon noch herausfinden. Die verschlossene Tür spielte bei diesem Rätsel eine entscheidende Rolle. Vielleicht konnten diese Stimmen ihr sagen, wo sie nach dem Schlüssel suchen sollte. Aber war das wirklich eine gute Idee?
Vermutlich wäre es besser, jemanden zu fragen, der real war und den sie kannte. Zumindest ein kleines bisschen. Konnte Eleonora wissen, was sich hinter der Tür verbarg?

Seufzend und mit erneuten Kopfschmerzen wegen all dieser Gedanken und Fragen, machte sie sich auf den Weg nach unten. Dieser Tag würde vermutlich ihr Leben verändern.


Und damit wären wir auch am Ende des ersten Kapitels angelangt. Nächstes Update ist wie immer Sonntags oder auch schon früher auf...


Ich freu mich auf eure Meinung!
Eure Kate

   




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